Marlene Suson 2
der Duke of Westleigh. Royal Elms gehört seit dreihun- dert Jahren meiner Familie. Ich weiß nicht, welche kriminellen Absichten Sie mit diesem rüden Auftritt verfolgen. Auf je- den Fall aber haben Sie sich des unbefugten Zutritts schuldig gemacht.“
Flynt begann zu schwitzen. „Aber Lord Dunbar ...“
„Es gibt keinen Lord Dunbar.“ Jerome wirkte so furchterre- gend wie das Jüngste Gericht.
„Das kann doch gar nicht sein.“
Stephen konnte deutlich sehen, wie sich große Schweißtropfen auf Flynts Stirn bildeten.
Jerome musterte den Eindringling, als wäre er ein ekliges In- sekt. „Sie wagen es, das Wort des Duke of Westleigh in Frage zu stellen?“
Flynt wirbelte herum und fuhr auf Kate los, die sich veräng- stigt gegen die Marmorwand drückte. „Du verlogenes Luder!“ kreischte er und hob den Arm, um sie zu schlagen.
„Wagen Sie es nicht, sie anzurühren!“ Die stahlharte Stimme des Herzogs ließ Flynt mitten in der Bewegung erstarren. „Sonst lasse ich Sie auspeitschen.“
„Das . . . das würden Sie nicht wagen“, entgegnete Flynt, doch seine Stimme wirkte nicht sehr überzeugt.
Jerome hatte den Fuß der Treppe erreicht. „Ich werde die Peitsche sogar selbst schwingen“, sagte er voller Verachtung.
„Aber . . . ich bin ein bedeutender Mann, ein reicher Landbe- sitzer in Virginia. Mein Name ist Hiram Flynt.“
„Stimmt nicht ganz!“ widersprach Stephen mit erhobener Stimme und trat in die Halle. „Ihr wirklicher Name ist Thaddeus Hiram Flynn, in sieben Grafschaften wegen Verbrechen gesucht, die von schwerem Raub bis zum Mord reichen.“
„Und berüchtigt wegen der unmenschlichen Behandlung, die sie Ihren Opfern angedeihen lassen“, ergänzte Lord Morgan und trat neben Stephen. „Bevor Sie vor elf Jahren verschwanden, haben Sie die Zunft der Wegelagerer in Verruf gebracht.“
Stephen wunderte sich ein wenig, weshalb Lord Morgan gerade dieser Punkt so zu erzürnen schien.
In diesem Augenblick erkannte Flynt Stephen, und die Au- gen quollen ihm fast aus dem Kopf. „Du! Was hast du hier zu suchen?“ Er fuhr zum Herzog herum. „Dieser Mann hat Ihnen Lügen über mich erzählt. Er ist ein deportierter Sträfling, der mir entflohen ist. Er ...“
„Er ist der Earl of Arlington und mein Schwager“, schnitt Je- rome ihm das Wort ab. „Haben Sie etwa die Stirn, etwas anderes zu behaupten? Dann kommt zu Ihren übrigen Verbrechen auch noch Verleumdung hinzu.“
Flynt, dessen Gesicht kalkweiß geworden war, schwitzte jetzt Blut und Wasser.
Stephen nickte der Frau zu, die noch auf der Empore stand, und winkte sie in die Halle. Er wies auf Flynt. „Mrs. Waite, ist dies der Mann, der Ihre Mutter getötet hat?“
„Genau derselbe.“ Bei der Erinnerung füllten die Augen der Frau sich mit Tränen. „Und nur weil sie so schrecklichen Rheu- matismus hatte und sich nicht schnell genug bewegen konnte, um seinen Befehl auszuführen.“
Mit ausgestreckten Armen und gespreizten Fingern stürzte Flynt sich auf die Frau, um ihr an die Kehle zu fahren, doch Stephen war schneller als er. Während die Frau vor Angst auf- schrie, stieß er Flynt die Faust in den Magen. Mit einem lauten Zischen entwich die Luft aus dem Körper des Unholds, und er taumelte zurück.
Als Flynt sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, traf Ste- phens Faust ihn unterm Kinn, so daß sein Kopf in den Nacken flog. Gott, tat das gut! Wie oft hatte Stephen sich danach ge- sehnt, wenn Flynt mit der Peitsche über ihm stand und er ihm wehrlos ausgeliefert war.
Noch einmal hob er die Faust und schlug sie mit voller Wucht auf Flynts Nase. Man hörte ein scharfes Knacken, und Flynt heulte vor Schmerz auf.
Jerome nickte den beiden Konstablern zu. „Nehmen Sie diesen Mann fest.“
„Legt ihm sofort Handeisen an, und laßt ihn nicht mehr aus den Augen“, sagte Neville Griffin warnend. „Denkt im- mer daran, wie er aus dem Kittchen in Stafford ausgebrochen ist.“
Griffin hatte von Kate erfahren, daß er vor elf Jahren aus die- sem Gefängnis entkommen und anschließend wie vom Erdboden verschwunden war. Flynt – oder besser Flynn – hatte sich mit- samt seiner Beute nach Amerika abgesetzt, wo er mit dem Geld eine Plantage in Virginia kaufte.
Mit inniger Befriedigung sah Stephen zu, wie Flynt abge- führt wurde. Das Blut strömte aus seiner gebrochenen Nase. Es tat Stephen gut, es diesem grausamen Schinder heimgezahlt zu haben. Jetzt mußte er nur noch Ashley Grove für Megan wiederbekommen.
Wenn das erledigt
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