Marlene Suson 2
zu wenden.
„Keine Bewegung, oder Sie sind ein toter Mann!“ herrschte der Fremde ihn an.
Stephen rührte sich nicht mehr.
„Quentin!“ rief Megan entgeistert, während sie sich in die Decke wickelte.
Stephen unterdrückte ein Stöhnen. Er hätte sich ja den- ken können, daß ihr verdammter Bruder – wenn überhaupt – zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt auftauchen würde. Mit einem ergebenen Seufzer versuchte er, die verfängliche Situa- tion zu erklären. „Es ist nicht so, wie Sie denken. Ich wollte nur . . .“
„Dürfte ja wohl klar wie Kloßbrühe sein, was Sie wollten, Mister“, schnitt Quentin ihm das Wort ab. Wutentbrannt starrte er mit einem vielsagenden Blick auf den „Beweis“ an Stephens Körper, der unter diesem Blick schneller zusammenschrumpfte, als ein eiskaltes Bad es bewirkt hätte.
Megan, die mit ihrem zerzausten Goldhaar einfach bezaubernd aussah, fragte: „Was in aller Welt tust du hier, Quentin?“
„Ich habe doch gesagt, daß ich zur Ernte zurückkomme.“
„Da kommen Sie über eine Woche zu spät“, schnappte Stephen. Sein Zorn auf diesen rücksichtslosen Burschen, der Megan und Josh sich selbst überlassen hatte, war stärker als sein Respekt vor der Waffe.
Quentins Augen wurden schmal. Sie waren braun, nicht grau wie die seiner Schwester. Und auch bei weitem nicht so warm und leuchtend. Im Gegenteil, in ihnen glitzerte der wütende Ausdruck
eines impulsiven, unbeherrschten Mannes. Es war anzunehmen, daß er seiner Mutter nachgeriet.
Quentin stieß mit dem Gewehrlauf gegen Stephens Brust. „Wer, zum Teufel, sind Sie?“
„Der Mann, der Ihre Arbeit hier getan hat.“
Die braunen Augen glitten verächtlich über Stephens nackten Körper. „Man sieht ja, welche Sorte Arbeit das war.“
„Es ist nicht so, wie Sie denken.“ Stephen zwang sich, kühl und emotionslos zu sprechen.
„Was ist es dann? Mich legen Sie nicht aufs Kreuz, wie Sie es anscheinend mit meiner armen Schwester gemacht haben. Meg, wie konntest du das nur zulassen?“
Stephen ließ sie nicht zu Wort kommen. „Ich habe nichts getan, außer ihr das Leben zu retten.“
„Sieht mir eher danach aus, als wären Sie grad dabei, ein neues in sie einzupflanzen, wenn Sie wissen, was ich meine.“
Stephen wußte es, und es gefiel ihm ganz und gar nicht.
Doch es war nicht so einfach, etwas dagegen zu tun, während er splitternackt auf dem Rücken lag und in den Gewehrlauf eines unberechenbaren Hitzkopfs schaute.
„Wo steckt eigentlich Galloway? Wieso läßt er zu, daß ...“
„Galloway ist seit Monaten tot“, unterbrach Stephen ihn. „Megan und Josh konnten die Arbeit auf der Farm nicht allein bewältigen. Deshalb habe ich ihnen geholfen.“
„So ‘ne Hilfe braucht Meg nicht.“
„Quentin“, mischte Megan sich mit scharfer Stimme ein. „Du bist mal wieder im Irrtum. Wie üblich.“
Quentins Begleiter, der halb verdeckt hinter ihm gestanden hatte, trat einen Schritt vor. Sein entrüstetes Mondgesicht ver- riet, daß er den Schock noch nicht überwunden hatte. Megan, die ihn erst jetzt bemerkte, stieß einen erschrockenen Laut aus. Heiße Röte schoß ihr ins Gesicht, und sie zog die Decke bis zum Kinn hoch.
Stephen wünschte, sie würde ihm einen Zipfel von der Decke abgeben, denn er kam sich vor wie eine Marmorstatue im Museum.
„Peter Burnaby!“ stieß Megan betroffen hervor. „Was machen Sie denn hier?“
Stephens Kopf fuhr herum. Das war also der Reverend Bur- naby, der einzige von Megans Verehrern, der nach dem Verlust
von Ashley Grove nicht das Weite gesucht hatte. Megan hatte be- hauptet, daß er sie nicht liebte, doch sie hatte sich offensichtlich geirrt. Sein schockierter, enttäuschter Gesichtsausdruck war der eines Mannes, der gerade erkennen mußte, daß die Frau seines Herzens seiner Liebe nicht wert war.
Burnaby öffnete den Mund, um Megans Frage zu beantwor- ten, doch kein Ton kam heraus. Nach einem kurzen Augenblick schloß er ihn wieder.
Quentin antwortete an seiner Stelle. „Ich sagte Peter, daß du inzwischen sicher zur Vernunft gekommen bist, Meg, und ihn jetzt endlich heiraten würdest. Er wollte dich aus dieser gottverlassenen Einöde wegholen.“
Megan wirkte so niedergeschmettert, daß es Stephen einen ei- fersüchtigen Stich versetzte. Machte sie sich etwa so viel aus diesem mondgesichtigen Pfaffen? Sein aufsteigender Ärger trieb ihn dazu, den Reverend rundheraus zu fragen: „Wollen Sie sie immer noch heiraten?“
Burnaby schwieg, doch die
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