Marlene Suson 2
müssen, doch es widerstrebte ihr, das Bett und die wärmende Nähe von Stephens Körper zu ver- lassen. Seit sie hier im Grenzland war, hatte sie noch nie so lange im Bett gelegen.
Nicht, daß sie in der vergangenen Nacht allzu viel Schlaf bekommen hätte! Stephen hatte sie noch dreimal geliebt, und jedesmal war es noch schöner und berauschender gewesen.
Sie erbebte bei der Erinnerung an die Lust, die er ihr ge- schenkt hatte. Sie hätte nie geglaubt, daß es so etwas überhaupt gab. „Mein Mann“, flüsterte sie, und es kam ihr vor wie ein Wunder.
Irgendwann gegen Morgen waren sie von einem lauten Poltern geweckt worden. Quentin war grölend ins Blockhaus gestolpert. Er sang mit so schwerer Zunge, daß man die Worte des Liedes nicht verstehen konnte.
„Hört sich an, als hätte er sein Abendessen getrunken“, hatte Stephen schläfrig kommentiert.
Das bedeutete, daß Quentin heute einen ausgewachsenen Ka- ter haben und wahrscheinlich den ganzen Tag im Bett bleiben würde. Kein Wunder, daß sich nebenan noch nichts rührte.
Meg lauschte auf die tiefen, gleichmäßigen Atemzüge ihres
Mannes, und wieder wanderten ihre Gedanken zu der vergange- nen Nacht.
Solange er sie in den Armen hielt, konnte sie die Wirklichkeit vergessen, doch jetzt holte sie sie wieder ein.
Stephen behauptete, sie zu lieben, und vielleicht entsprach das ja sogar der Wahrheit. Zumindest für den Augenblick. Er war ein vollendeter Liebhaber, und wieder fragte Meg sich, wie viele Frauen er wohl schon vor ihr geliebt hatte.
Und wie viele würden noch kommen?
Er hatte ja selbst zugegeben, wie wenig er von ehelicher Treue hielt.
Und wenn er doch Billy Gunnell war? Dieser Gedanke quälte sie unablässig und ließ sie nicht zur Ruhe kommen.
Ihre Mutter hatte bewiesen, wie blind eine verliebte Frau sein konnte, und Meg hatte sich geschworen, nie denselben Fehler zu machen. Hatte sie diesen Eid nun gebrochen?
Sie erinnerte sich an Stephens Fieberträume. Ich bin Arlington. Ihr müßt mir glauben, ich bin Earl . . . Arlington.
Immer und immer wieder hatte er darauf beharrt.
Das ließ sie hoffen, daß er wirklich nicht Billy Gunnell war. Aber wer war Earl Arlington?
All ihre Zweifel fielen wieder über sie her. Ihr Kopf begann zu schmerzen. Wenn sie nur wüßte, was sie glauben sollte. Tränen begannen ihr über die Wangen zu rollen.
„Megan, was ist mit dir?“
Sie fuhr zusammen, als sie die erschrockene Stimme ihres Man- nes neben sich hörte. Er stützte sich auf den Ellbogen und sah sie voller Besorgnis an. Zärtlich wischte er mit dem Daumen die Tränen fort.
Diese Zärtlichkeit machte es fast noch schlimmer. Konnte ein solcher Mann wirklich ein gefährlicher Verbrecher sein?
„Warum weinst du?“
„Ich frage mich, ob ich Mrs. Stephen Wingate oder Mrs. Billy Gunnell bin.“
Er ließ die Hand sinken, und Meg sah ihm an, wie verletzt er war. „Verdammt, Megan, warum glaubst du mir nicht? Ich bin nicht Gunnell.“
Doch der Zweifel wich nicht aus ihren Augen.
Ratlos fuhr Stephen sich mit den Fingern durchs Haar. „Glaubst du wirklich, ich würde meine eigene Frau so belügen?
Was kann ich nur tun, damit du mir endlich glaubst? Ich habe in meinem ganzen Leben kein Verbrechen verübt, und einen Mord habe ich ganz gewiß nicht begangen. Wie kannst du mich nur für einen Mörder halten?“
Meg sah ihm an, wie verletzt er war, doch sie mußte Gewiß- heit haben. Sie mußte wissen, was sie als seine Frau zu erwarten hatte. „Wenn du nicht Gunnell bist, weshalb hast du dann seinen Steckbrief abgerissen?“
„Ich habe dir gesagt, warum. Man hat mich schon einmal mit ihm verwechselt, und ich muß verhindern, daß das wieder passiert.“
„Und wenn doch? Was ist, wenn ich schwanger werde und du als Billy Gunnell aufgegriffen wirst. Kannst du versprechen, daß ich nicht hilflos zusehen muß, wie der Vater meines ungeborenen Kindes als entflohener Sträfling getötet wird?“
Seine Augen verrieten ihn. Die panische Angst, die für den Bruchteil einer Sekunde darin aufsprang, bevor er sich wieder in der Gewalt hatte, war Antwort genug. Eine Eisenfaust preßte Megs Herz zusammen.
Stephen seufzte tief auf. „Nein, das kann ich nicht verspre- chen.“ Wie gern hätte er es getan. Wieder fuhr er sich mit der Hand durchs Haar.
Was für ein Teufelskreis! Er hätte ihr von Anfang an die ganze Wahrheit sagen sollen, anstatt einen Teil zu verschweigen. Der Umstand, daß er nicht ganz aufrichtig gewesen war, machte nun alles sehr
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