Marlene Suson 2
Grove uns immer noch gehören.“
„War Baylis der Richter, der Galloway zu Megans und Joshs Vormund bestimmte?“
Quentin nickte. „Meg hat ihn im Verdacht, daß er sich damit an ihr rächen wollte.“
Vielleicht hatte Baylis auch gehofft, daß Galloway eine Ehe zwischen seinem Mündel und dem Richter arrangieren würde. „Was hat dein Vater von Baylis gehalten?“
„Nichts. Er hat ihn für einen Winkeladvokaten gehalten, dem nicht zu trauen war. Aber das war, noch bevor er Richter wurde.“
„Glaubst du, der Charakter eines Mannes ändert sich, wenn er ein Richteramt bekleidet?“ fragte Stephen verächtlich. „So, und jetzt mach, daß du an die Arbeit kommst.“
„Ich bin ein Gentleman“, begehrte Quentin mit weinerlicher Stimme auf. „Ich bin nicht dafür geschaffen, im Dreck zu wühlen. Du weißt nicht, was es heißt, wenn einem alles weggenommen wird, was einem rechtmäßig gehört.“
Quentins Selbstmitleid widerte Stephen an. Wie verschieden Megan und ihr Bruder doch waren! „Oh, ich weiß nur zu gut, wie das ist. Ich habe noch viel mehr verloren als du.“ Ja, das hatte er wirklich: einen Adelstitel, ein großes Erbe und den kostbar- sten Besitz überhaupt – seine Freiheit. „Aber Selbstmitleid und Gejammer bringen gar nichts.“
„Es ist aber nicht fair!“
„So ist das Leben nun mal“, gab Stephen ungerührt zurück. „Es hat dir schlechte Karten gegeben. Spiel sie aus, so gut du kannst, und mach das Beste daraus.“
Nach dem Abendessen spielte Meg für Stephen und Josh auf der Flöte. Quentin war wieder ins Wirtshaus gegangen. Als er loszog, hatte Stephen ihn davor gewarnt, sich erneut zu betrinken. „Du wirst morgen arbeiten, ob es dir gutgeht oder nicht.“
Megan spielte so schön auf ihrer Flöte, daß Stephen genußvoll die Augen schloß. Er war sehr stolz auf seine begabte Frau. Bei ihr fand er die Ruhe und Zufriedenheit, die er sein Leben lang gesucht hatte.
Er konnte die Nacht kaum abwarten. Nur aus Rücksicht auf Megan, deren Körper noch nicht an heftige, leidenschaftliche Liebesspiele gewöhnt war, hatte er sich nicht schon am Nach- mittag zu ihr ins Blockhaus geschlichen.
Ein lautes Klopfen an der Tür ließ Megans Flötenspiel abrupt abbrechen. Die innere Losgelöstheit, mit der Stephen ihrem Spiel
gelauscht hatte, war wie weggeblasen. Sofort sprang wieder die Angst in ihm auf, daß Flynts Häscher ihn gefunden hatten.
Es war nur Wilhelm.
„Wieso kommst du so spät her?“ fragte Josh.
„Ich will euch warnen. Im Wirtshaus sind zwei Fremde auf- getaucht. Spieler, die jeden über den Tisch ziehen, der sich mit ihnen einläßt. Quentin wartet schon darauf, an die Reihe zu kommen.“
„Gott im Himmel!“ Meg erbleichte. „Quentin ist dem Glücks- spiel verfallen. Es ist wie ein Fieber, und er kommt nicht dagegen an. Er wird alles aufs Spiel setzen, ob es ihm gehört oder nicht.“ Flehend sah sie ihren Mann an. „Du mußt ihn daran hindern! Bitte, Stephen.“
Zögernd stand Stephen auf. Er mußte an Galloway denken und welches Schicksal ihn bei den zwei Fremden ereilt hatte. Waren diese beiden auch von Flynt geschickt worden? Es widerstrebte Stephen auf der ganzen Linie, mit den beiden Männern zusam- menzutreffen, doch er konnte die flehentliche Bitte seiner Frau nicht abschlagen.
Deshalb ging er mit Wilhelm, wobei er seinen lästigen Schwa- ger in die tiefste Hölle wünschte.
Unterwegs fragte Stephen: „Könnte es eine Verbindung geben zwischen diesen beiden Fremden und den anderen, die Galloway auf dem Gewissen haben?“
„Nein“, versicherte Wilhelm. „Diese beiden sind Berufsspie- ler, die immer nach der Ernte hierher ins Grenzland kommen, um die Siedler zu schröpfen.“
Im Wirtshaus stand Quentin – das Gesicht zerschrammt und verschwollen von seinem Kampf mit Stephen – neben einem Tisch, an dem Sam Wylie und Paul Ames mit einem der Frem- den spielten. Es ging um ein Spiel, das sie „Putt“ nannten. Der zweite Fremde saß an einem anderen Tisch und spielte ebenfalls mit zwei Siedlern.
Dicker Tabakqualm hing über den roh gezimmerten Holzti- schen, und sein Geruch, vermischt mit dem Dunst von Bier und Männerschweiß, erfüllte den Raum, in dem die Talglichter ein diffuses Licht verbreiteten.
Quentins Augen hingen gierig an den Münzen, die der Fremde vor sich auf dem Tisch aufgestapelt hatte.
Natürlich waren auch alle anderen im Wirtshaus versammel-
ten Männer an dem Geld brennend interessiert, und Stephen konnte das sehr gut
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