Marlene Suson 2
viel schwerer. Wenn er ihr jetzt auch den Rest gestand, würde sie ihn der Lüge bezichtigen, und ihr Vertrauen wäre für immer dahin.
Tröstend und liebkosend ließ er die Hand an ihrem Körper hin- abgleiten. Ihre Haut fühlte sich so weich und seidig an, und es freute ihn, daß sie mit einem leichten Beben auf seine Berührung reagierte. „Megan, ich habe nur einen Wunsch: Ich möchte dich zur glücklichsten Frau der Welt machen.“
Und das war die Wahrheit.
Aber würde er auch die Möglichkeit dazu haben? Oder würde ihr Alptraum Wirklichkeit werden? Der Gedanke, von ihr ge- trennt zu werden, während sie sein Kind trug, versetzte ihn in Angst und Schrecken. Er würde nie erfahren, was aus ihr ge- worden war, nie sein Kind zu Gesicht bekommen, nicht einmal wissen, ob es ein Sohn oder eine Tochter war. Das wäre dann end-
gültig die tiefste, dunkelste Hölle, in die ein Mensch überhaupt stürzen konnte.
Es gab nur eine einzige Möglichkeit, diesem Schicksal zu ent- gehen: die Flucht nach England. Doch er konnte Megan und Josh nicht zurücklassen, und der Preis für drei Schiffspassagen war für ihn unerschwinglich.
Wie auch immer, er mußte einen Weg finden.
„Du wirst hier nie sicher sein. Wir werden in ständiger Angst leben, daß man dich findet.“
Der Schmerz und der Vorwurf in Megans Stimme schnit- ten ihm ins Herz. „Ich werde so sicher sein wie in Abrahams Schoß“, behauptete er. „Wenn wir erst mal in England sind.“
„England!“ rief Meg erschrocken. „Ich kann doch nicht nach England gehen.“
„Du bist meine Frau, Megan. Denk daran, was in der Bibel steht: Wo du hingehst, da will auch ich hingehn.“
„Und was wird aus Josh?“
Stephen legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm. „Den nehmen wir natürlich mit. Ich verspreche dir, daß er die Erziehung bekommen wird, die du dir für ihn wünschst“, ant- wortete er.
Meg preßte die Lippen zusammen. Stephen wußte, daß es nicht einfach sein würde, sie zu überzeugen. Es hatte jedoch keinen Sinn, jetzt mit ihr zu streiten, zumal er ohnehin nicht wußte, wie er das Geld für die Überfahrt beschaffen sollte. Eigentlich hatte er sich darauf verlassen, daß George es ihm vorstrecken würde.
Doch er hatte noch nichts von seinem Bruder gehört und die Hoffnung inzwischen aufgegeben. Mit jedem Tag, der ins Land ging, wurde die Wahrscheinlichkeit größer, daß George sein un- bekannter Feind war, denn er würde am meisten von seinem Verschwinden profitieren.
Stephen fürchtete, sein voreiliger Brief hatte seinem Bruder nur bewiesen, daß sein hinterhältiger Plan fehlgeschlagen war und das Opfer noch lebte. Würde George Hiram Flynt verraten, wo er Stephen finden konnte?
Das einzig Vernünftige wäre, Hals über Kopf von hier zu ver- schwinden. Doch wenn er es tat und Megan etwas zustieß, wäre sein Leben sinnlos geworden.
Quentin, der einen schrecklichen Kater hatte, blieb im Bett und lehnte Megs Angebot, ihm Frühstück zu machen, schaudernd ab.
Stephen enthielt sich jeden Kommentars. Er wartete, bis seine Frau hinausgegangen war, um die Eier zu holen. Erst dann trat er an Quentins Bett. „Steh auf, du Faultier. Falls du hierbleiben willst, wirst du dir dein Essen verdienen.“
Quentin starrte ihn aus blutunterlaufenen Augen an. „Ich bin krank.“
„Selber schuld. Wenn du essen und ein Bett zum Schlafen willst, dann mußt du dafür arbeiten.“
„Was bildest du dir eigentlich ein, so mit mir zu reden? Dies ist meine Farm.“
„Nein, sie gehört Megan. Euer Vater hat sie ihr hinterlassen. Und da du gestern so freundlich warst, sie mit mir zu verheiraten, habe ich als ihr Ehemann jetzt hier das Sagen.“
Quentin öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Stephen ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Nach der Eheschließung hat der Mann die Kontrolle über Besitz und Vermögen seiner Frau. So steht es im Gesetz, wie du weißt. Und jetzt steh auf.“
Als Quentin sich nicht rührte, packte Stephen ihn am Arm und zerrte ihn kurzerhand aus dem Bett. Er landete unsanft auf dem Boden.
„Was hast du vor?“ lamentierte Quentin wehleidig.
„Einen Mann aus dir zu machen – falls das überhaupt möglich ist.“
Quentins Augen wurden schmal. „Du verdammter Mistkerl! Ich lasse mich von dir nicht beleidigen.“
„Die Wahrheit ist keine Beleidigung.“ Wenn es irgendwie mög- lich war, würde Stephen aus Quentin einen Mann machen, der nicht davonlief und Megan im Stich ließ, falls Hiram Flynt ihn doch noch
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