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Marlon, die Nummer 10

Marlon, die Nummer 10

Titel: Marlon, die Nummer 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Masannek
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Besenschrank-Briefmarken-Fallrückzieher und sein Breakdancer-Tor. Ohne ihn hätten wir nie ein Unentschieden erreicht. Ohne ihn hätte mir selbst meine Intuition nichts genutzt. Doch dann röhrten die Panther über die Wiese. Rocce schrie auf und dann stand der Arzt in der Tür. Der Arzt mit der eiskalten Stimme: „Einen Kreuzbandanriss kann man erst operieren, wenn du nicht mehr wächst.“
    Rocce wusste, was ich jetzt dachte.
    „Marlon, ich habe mit dem Doc vom FC Bayern ...„
    Doch ich wollte nichts davon hören.
    „Nein“, fuhr ich ihm über den Mund. „Ich darf nicht mehr spielen! Vielleicht hast du das ja vergessen. Und vielleicht hast du auch vergessen, warum.“
    Ich schleuderte ihm einen letzten, vernichtenden Blick ins Gesicht und drehte mich um.
    „Es tut mir leid“, sagte ich. „Aber ich kann nichts für dich tun.“ Dann griff ich meine Krücken und stapfte davon. Schwung für Schwung versuchte ich, vor Rocce zu fliehen. Doch der gabnicht auf.
    „Marlon! Wenn mein Vater geht, dann gehe ich auch.“
    „Na und! Dann musst du ihn halt trainieren. Du bist gesund!“, entgegnete ich und floh immer schneller.
    „Aber mit mir redet er nicht. Marlon! Seit dem Unfall geht er mir aus dem Weg. Und die schwarzen Panther hat er in die Garage gesperrt. Hinter sieben Ketten und Schlössern!“
    Ich floh immer schneller. Ich klemmte die Krücken unter die Arme und rannte ohne sie durch den Flur.
    „Marlon!“, rief Rocce.
    Da schlug ich die Tür meines Krankenzimmers hinter mir zu.

Lebendig begraben
    Ich rannte in mein Zimmer, warf die Krücken auf den Boden und sprang auf mein Bett. Ich wollte nichts mehr sehen und hören. Ich lag auf dem Rücken und starrte ein Loch in die Wand. In die stockfinstere Wand. Ich hatte vergessen, wo die Lichtschalter sind. Ich lebte seit Wochen im Dunkeln.
    Da raschelte etwas in der Ecke neben der Tür. Ich schnellte hoch.
    „Was willst du denn hier?“, fauchte ich, doch Willi blieb cool.
    „Hallo, Marlon!“, begrüßte er mich.
    Er saß auf einem Stuhl und las meinen Krankenbericht. Seine Taschenlampe huschte über die Zeilen. Ich rutschte vom Bett und lief auf ihn zu. Die Krücken lagen immer noch auf dem Boden. Ich brauchte sie nicht. Da runzelte Willi die Stirn.
    „Scheint so, als würdest du schneller gesund, als es dir lieb sein kann.“
    Er schaute mich erwartungsvoll an. Für einen Moment überlegte ich wirklich, ob ich meine Krücken aufheben sollte. Doch das war lächerlich. Willi hatte gesehen, wie ich hereingerannt war.
    „Ich werde nie mehr gesund“, sagte ich kalt. „Hat man dir das nicht gesagt?“
    „Oh, doch“, nickte Willi. „Das hab ich gehört. Aber weißt du“, und jetzt schob er sich den Hut zurück in die Stirn, „ich wollte mich lieber selbst davon überzeugen.“
    Ein Lächeln huschte ihm übers Gesicht.
    „Immerhin bist du Marlon, die Nummer 10. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass du so schnell aufgeben würdest. Das ging mir nicht in den Kopf.“ Sein Lächeln wurde zu einem Schmunzeln, doch das prallte eiskalt von mir ab.
    „Aber so ist das nun mal!“, sagte ich. „Jetzt hast du’s gesehen. Jetzt ist es in deinem Kopf drin.“
    Ich ging zur Tür und hielt sie für ihn auf.
    „Und jetzt kannst du gehen.“
    Doch Willi blieb sitzen.
    „Bitte! Geh!“, forderte ich.
    Doch Willi dachte gar nicht daran. Das Schmunzeln war in seine Augen gesprungen und die leuchteten mich jetzt aufmunternd an. Krumpelkrautrüben! So leuchteten nur die Augen der besten Trainer der Welt. So gaben sie einem den Glauben an sich zurück. Doch den konnte und wollte ich jetzt auf keinen Fall haben. Ich wich Willis Blick aus.
    „Das ist nicht fair!“, flüsterte ich und warf mich aufs Bett. „Mein Knie ist kaputt. Und so wird es die nächsten fünf Jahre bleiben. Verflixt! Fünf Jahre. Das ist die Hälfte meines bisherigen Lebens. Was hat das damit zu tun, dass ich aufgeben will?“
    Ich vergrub meinen Kopf in den Kissen. Ich hörte, wie Willi aufstand. Doch er ging nicht zur Tür. Er kam zu mir ans Bett.
    „Ich weiß nicht“, sagte er. „Aber vielleicht denkst du darüber mal nach.“

    „Ach ja!“, spottete ich. „Und was glaubst du, was ich die ganze Zeit tu?“
    „Es tut mir leid“, antwortete Willi. „Ich wollte dich nicht beleidigen. Aber vielleicht drehen sich deine Gedanken im Kreis.“
    „Und wenn das so ist?“, blieb ich stur. „Macht das einen Unterschied?“
    Willi seufzte. Er nahm seinen Hut ab und knetete ihn zwischen

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