Marlon, die Nummer 10
über den Mund. „Das hier ist ein Krankenhaus. Da wird man gesund. Das wird man doch, oder?“
Er schaute die anderen an, doch er bekam keine Antwort. Er hörte nur das Klacken der Rosenkranzkugeln, die Rocce in seiner Hosentasche durch die Hand laufen ließ. Da hielt es Raban, der Held und Wilde Kerle -Manager, nicht länger aus.
„Hippopotamus! Bullen! Propellerschwanzmist!“, rief er empört, plusterte sich wie Rainer Calmund von Bayer Leverkusen auf und rannte zum Telefon.
„Hallo! Ja, hallo! Hier spricht Raban, der Held. Ich will sofort mit dem Chef-Doktor sprechen. Es geht um das Herz ... Wie bitte! Welches Herz? Hottentottenalptraumnacht! In welcher Welt leben Sie denn? Hat man mich mit der Putzfrau verbunden? ... Nein, das war persönlich gemeint und jetzt hören Sie mir mal ganz genau zu. Ich spreche von unserem Herzen, ist das jetzt klar? Ja, unser Herz. Das Herz der Wilden Fußballkerle e.W. Ich spreche von Marlon, der Nummer 10, und wenn dem was passiert, dann ...„
„Hey, stop! Hör sofort damit auf. Mach gefälligst ’nPunkt!“, rief Leon und riss Raban den Hörer aus der Hand. „Das ist genug! Der Mistkerl ist wach.“
Er blitzte mich an, doch ich musste lächeln.
„Hast du das alles gehört?“, fauchte er.
„Was meinst du mit alles?“, fragte ich scheinheilig nach. „Das mit der Putzfrau fand ich echt wild.“
Leon schnappte nach Luft. „Oh, Kacke verdammte! Dafür bring ich dich ...”
Er sprach den Satz nicht zu Ende. Mein Bruder erschrak über sich selbst. Er war plötzlich überhaupt nicht mehr wütend. Er schaute mich an, als ob ich behindert wär, als ob ich keine Beine mehr hätte. Das heißt, er schaute mich überhaupt nicht mehr an. Er starrte auf seine Füße.
„Oh, Schitte! Leon!“, seufzte Vanessa.
Dann war es still.
Für einen Moment war das Krankenhaus nicht mehr die feindliche und einsame Welt von gestern gewesen. Nein, es hatte zum Wilde Kerle -Land gehört. Meine Freunde waren gekommen, um mich zu holen. Doch jetzt war dieser Augenblick schon wieder vorbei. Die Chance war verpasst.
„Es tut mir leid!“, flüsterte Vanessa, die Unerschrockene.
„Ja. Dampfender Teufelsdreck!“, zischte Markus, der Unbezwingbare, und zog vor Verlegenheit seine Torwarthandschuhe aus. Das machte er sonst nur, um sich zu waschen.
„Fünf Jahre kein Fußball! Wie hältst du das nur aus!“ Maxi „Tippkick“ Maximilian, dem Mann mit dem härtesten Schuss auf der Welt, lief eine Träne über die Wange und Rocce, der Zauberer, wischte sich ein Dutzend davon aus dem Gesicht.
„Darf ich dein Bein einmal sehen?“, fragte er mich.
Ich runzelte die Stirn und sah ihn argwöhnisch an.
„Okay! Wie du willst!“, spottete ich und spürte die Wut und den Hass. Ich schlug die Decke zur Seite und zeigte mein Bein. Rocce und die anderen Wilden Fußballkerle starrten auf das Wirrwarr der Schrauben. „Was ist?“, verhöhnte ich sie. „Das wächst alles wieder zusammen. Es ist mein Knie, kapiert ihr. Das ist für immer kaputt!“
Ich warf Rocce alle Schuld vor die Füße und obwohl er vor meinem Bett stand, kam es mir vor, als würde er sich mit Lichtgeschwindigkeit von mir entfernen. Plötzlich war ich wieder in der Wüste aus Eis.
„Ich will dich nie wiedersehen!“, rief ich. „Hörst du? Hau ab!“
Ich blitzte ihn an. Rocce zögerte einen Moment. Er war genauso verzweifelt wie ich. Er wollte was sagen, doch dann rannte er einfach hinaus.
Die Tür knallte ins Schloss und ich vergrub mich unter den Kissen. Ich wollte jetzt nicht allein sein. „Das sind deine Freunde!“, warnte eine Stimme in mir, doch ich hörte nicht hin.
„Bitte, lasst mich allein!“, flüsterte ich.
Ich biss die Zähne zusammen. Die Sekunden verstrichen. Mein Herz schlug und dröhnte wie eine Pauke in meinem Kopf. Aber die Wilden Kerle rührten sich nicht. Sie warteten, als wollten sie das Zimmer nur mit mir zusammen verlassen. Doch ich gehörte nicht mehr dazu.
„Verflixt! Ihr sollt gehen!“, schrie ich und flehte sie an. „Ich bitte euch. Lasst mich doch endlich allein!“
Da nickte Vanessa.
„Kommt!“, sagte sie. Es fiel ihr fürchterlich schwer. „Tun wir, was er uns sagt.“
Sie schaute mich noch einmal an.
„Und du rufst uns bitte, wenn du uns brauchst. Ich weiß, das willst du jetzt auf keinen Fall hören. Aber wir sind für dich da.“
Sie kam an mein Bett und hob die Hand zum High Five.
„Alles ist gut!“, sagte Vanessa, doch ich schlug nicht ein.
Das Mädchen wartete
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