Mars 02 - Die Götter des Mars
sind auch noch stolz darauf. Es ist für einen Erstgeborenen ein Verbrechen, zu arbeiten oder etwas zu erfinden. Das steht den niederen Kreaturen zu, die lediglich deswegen existieren, damit die Erstgeborenen ein langes Leben von Luxus und Müßiggang führen können. Bei uns zählt nur das Kämpfen, ohne dies gäbe es mehr Erstgeborene, als alle anderen Geschöpfe auf Barsoom unterstützen könnten, denn soweit ich weiß, stirbt niemand von uns eines natürlichen Todes. Unsere Frauen würden ewig leben, wenn wir ihrer nicht mit der Zeit überdrüssig würden und uns ihrer entledigten, damit sie für andere Platz machen. Issus allein ist vor dem Tod gefeit. Sie lebt schon seit unzähligen Jahrhunderten.«
»Würden nicht die anderen Barsoomier ewig leben, wenn es nicht die Mär von der freiwilligen Pilgerfahrt gäbe, die sie in ihrem tausendsten Lebensjahr oder schon vorher an den Busen des Flusses Iss zieht?« fragte ich ihn.
»Daran bestehen meines Erachtens keine Zweifel. Ich denke, sie gehören derselben Rasse an wie die Erstgeborenen, und ich hoffe, noch lange genug zu leben, um im Kampf für sie jene Sünden wieder gutzumachen, die ich an ihnen als unwissender Anhänger einer seit Generationen weitergegebenen Irrlehre begangen habe.«
Als er verstummte, drang ein unheimlicher Schrei über das Meer Omean zu uns. Ich hatte ihn schon am vorigen Abend zur selben Zeit gehört und wußte, daß er das Ende des Tages verkündete, zu dem die Menschen von Omean ihre Seidentücher an den Decks der Kriegsschiffe und Kreuzer ausbreiteten und in den traumlosen Schlaf vom Mars fielen.
Unser Wachposten trat ein, um uns ein letztes Mal zu kontrollieren, bevor auf der Welt oben ein neuer Tag anbrach. Schnell war seine Pflicht erfüllt, und die schweren Gefängnistüren schlossen sich wieder hinter ihm - wir waren allein in der Nacht.
Ich gab ihm Zeit, zu seinem Quartier zurückzukehren, denn das würde er nach Xodars Ansicht aller Wahrscheinlichkeit nach tun, sprang zum Fenstergitter hoch und blickte auf das nahegelegene Wasser. Ein Stück vor der Insel, vielleicht eine Viertelmeile vom Strand entfernt, lag ein riesiges Kriegsschiff. Zwischen ihm und dem Ufer ankerten noch viele kleine Kreuzer und einsitzige Aufklärer. Nur auf dem Kriegsschiff befand sich ein Wachposten. Ich konnte ihn deutlich zwischen den Aufbauten des Schiffes erkennen, und als ich ihn beobachtete, sah ich, wie er seine Bettücher auf dem winzigen Flecken seiner Stellung ausbreitete und sich bald darauf auf seinem Lager ausstreckte. Tatsächlich nahm man es auf Omean mit der Disziplin nicht so genau. Doch darüber muß man sich nicht wundern, denn niemand auf Barsoom wußte von der Existenz einer solchen Flotte, von den Erstgeborenen oder dem Meer Omean. Warum sollten sie dann eine Wache aufstellen?
Bald ließ ich mich wieder zu Xodar hinunter und schilderte ihm, welche unterschiedlichen Fahrzeuge ich gesehen hatte.
»Eines davon ist mein persönliches Eigentum. Es kann fünf Mann tragen und ist eines der schnellsten Flugboote, die es so gibt. Könnten wir uns an sein Deck begeben, so würde man sich unseres Wettrennes um die Freiheit zumindest noch lange entsinnen.« Dann beschrieb er mir die Ausstattung, die Maschinen und alles, dem das Fahrzeug seine Eigenschaften zu verdanken hatte.
Bei seiner Beschreibung erkannte ich eine Schaltweise, die mich Kantos Kan gelehrt hatte, als wir unter falschem Namen in der Marine und Luftwaffe von Zodanga unter Sab Than, seinem Prinzen, gedient hatten. Mit einemmal war mir klar, daß die Erstgeborenen dieses Schiff aus Helium gestohlen hatten, denn nur deren Fahrzeuge werden auf diese Weise in Gang gesetzt. Ebenso wußte ich, daß Xodar die Wahrheit sagte, als er die Geschwindigkeit seines kleinen Fliegers pries, denn keines der Flugzeuge, die die dünnen Lüfte vom Mars durchqueren, kann auch nur annähernd die Geschwindigkeit der Maschinen von Helium erreichen.
Wir beschlossen, mindestens eine Stunde zu warten, bis alle Nachzügler ihre seidenen Nachtlager aufgesucht hatten. In der Zwischenzeit würde ich den roten Jungen in unsere Zelle holen, um dann zügig in die Freiheit aufbrechen zu können.
Ich sprang nach oben und zog mich auf die Trennwand. Sie war oben glatt und ungefähr einen Fuß breit. Darauf lief ich entlang, bis ich die Zelle des Jungen erreichte. Ich sah ihn auf seiner Bank sitzen, er hatte sich zurückgelehnt und blickte nach oben in die schimmernde Kuppel über Omean. Als er mich auf der
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