Mars 02 - Die Götter des Mars
Trennwand über sich entlangbalancieren sah, riß er vor Erstaunen die Augen auf. Dann breitete sich ein verstehendes und anerkennendes Grinsen über seinem Gesicht aus.
Als ich mich bückte, um zu ihm auf den Boden zu springen, hieß er mich warten, trat an mich heran und flüsterte: »Reich mir deine Hand, ich komme fast allein auf diese Wand. Ich habe es oft versucht, und jeden Tag springe ich ein bißchen höher. Eines Tages sollte es mir gelingen.«
Ich legte mich auf den Bauch und hielt ihm meine Hand entgegen. Mit einem kleinen Anlauf von der Mitte der Zelle sprang er, so daß ich seine ausgestreckte Hand fassen konnte. Dann zog ich ihn neben mich auf die Wand.
»Du bist der erste Springer, den ich bei den roten Menschen auf Barsoom kennenlerne«, sagte ich.
Er lächelte. »Daran ist nicht Außergewöhnliches. Wenn wir mehr Zeit haben, erzähle ich dir, wie es dazu kommt.«
Gemeinsam kehrten wir zu Xodars Zelle zurück, ließen uns zu ihm hinab, um uns zu unterhalten, bis die Stunde verstrichen war.
Dort schmiedeten wir die Pläne für unsere unmittelbare Zukunft und gelobten uns durch einen feierlichen Eid, im Kampf unsere Leben füreinander zu geben, welche Feinde uns auch immer gegenübertraten, denn ich wußte, daß, auch wenn wir den Erstgeborenen entkommen sollten, wir noch eine ganze Welt gegen uns hatten - die Macht religiösen Aberglaubens kennt keine Grenzen.
Es wurde beschlossen, daß ich das Fahrzeug steuern würde, wenn wir erst einmal an Bord waren, und daß wir, sollte es uns gelingen, in die Außenwelt zu gelangen, ohne Halt bis Helium weiterfliegen würden.
»Warum Helium?« fragte der rote Junge.
»Ich bin ein Prinz von Helium«, entgegnete ich.
Er blickte mich eigentümlich an, sagte jedoch nichts weiter dazu. Damals fragte ich mich, was sein Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte, doch angesichts dringenderer Dinge vergaß ich es bald und hatte auch später keine Gelegenheit dazu, darüber nachzudenken.
»Kommt«, sagte ich schließlich. »Jetzt ist der günstigste Zeitpunkt gekommen.«
Im nächsten Augenblick hockten der Junge und ich auf der Trennwand. Ich schnallte mein Lederzeug auf und knüpfte daraus einen langen Riemen, den ich dem wartenden Xodar hinunterließ. Er packte das Ende und saß bald neben uns.
»Wie einfach«, lachte er.
»Der Rest sollte sogar noch einfacher sein«, erwiderte ich. Als nächstes zog ich mich an der Außenwand des Gefängnisses hoch, um einen Blick nach draußen zu werfen und festzustellen, wo sich der Wachposten im Moment gerade aufhielt. Nach etwa fünf Minuten kam er in Sicht, wie er in schneckenartigem Tempo seine Runde um das Bauwerk zog.
Ich wartete, bis er hinter dem Gebäude abgebogen war und die Stelle nicht mehr sehen konnte, an der wir den Ausbruch wagen wollten. Kaum war seine Gestalt verschwunden, griff ich Xodar und zog ihn zu mir auf die Mauer hoch. Dann ließ ich ihn mit Hilfe des Ledergurtes schnell auf die andere Seite hinab. Dann packte der Junge den Gurt und gesellte sich zu Xodar.
Entsprechend unserer Übereinkunft warteten sie nicht auf mich, sondern begaben sich langsam in Richtung des Wassers, ein Weg von etwa einhundert Yard, der an dem Wachgebäude voll mit schlafenden Soldaten vorbeiführte.
Sie hatten kaum zwölf Schritte getan, als auch ich mich zum Boden hinabließ und ihnen im gemächlichen Tempo folgte. Als ich an dem Wachhaus vorbeikam, dachte ich an all die scharfen Klingen, die sich darin befanden, und blieb stehen, denn wenn jemals Männer Schwerter brauchten, waren es meine Gefährten und ich bei diesem gefahrvollen Unternehmen, das wir in Angriff genommen hatten.
Ich blickte zu Xodar und dem Jungen und sah, daß sie über den Rand des Kais geschlüpft waren. Wie abgemacht, sollten sie im Wasser auf mich warten und sich an den Metallringen festhalten, mit denen das betonartige Material in Höhe des Wasserspiegels beschlagen war, so daß sich nur ihre Gesichter über Wasser befanden.
Die Versuchung mit den Schwertern im Wachhaus war stark, und ich zögerte einen Augenblick, halb geneigt, es zu riskieren und die wenigen Waffen, die wir benötigten, mitzunehmen. In dieser Hinsicht bestätigte sich das Wort, daß ein Zweifler unbeständig ist auf allen seinen Wegen, denn im nächsten Augenblick kroch ich vorsichtig auf die Tür des Wachhauses zu.
Sanft schob ich sie einen Spaltbreit auf und sah ein Dutzend Schwarze, die in tiefem Schlummer auf ihren Seidentüchern ausgestreckt dalagen. Auf der anderen Seite
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