Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
entfernt und lag zweihundert Meter unter ihnen. Der Fuß der Nordwand von lus war ungefähr fünfzehn Kilometer entfernt, und die Flut reichte bis dahin. Sie war vielleicht zehn Meter tief, nach den riesigen Felsblöcken zu schließen, die stromabwärts rollten wie Kegelkugeln des Großen Mannes. Sie zertrümmerten Eisplatten und hinterließen schwarze Strudel in ihrem Gefolge. Das Wasser in den offenen Stellen schien sich mit vielleicht dreißig Kilometern in der Stunde zu bewegen. Also (sie tippte Zahlen in ihr Armband) etwa viereinhalb Millionen Kubikmeter pro Stunde. Das wären ungefähr einhundert Amazonas-Ströme. Aber das Wasser lief unregelmäßig, gefror und brach auf in einer ständigen Folge von Eisdämmen, die entstanden und verfielen. Ganze dampfende Teiche sprangen nach unten über jeden Kanal oder Abhang, auf den sie trafen, und rissen dann das Muttergestein weg...
    Ann fühlte, während sie auf dem Boden des Revers lag, wie davon ihre Backenknochen heftig vibrierten. Solche Erschütterungen waren auf dem Mars seit Jahrmillionen nicht mehr aufgetreten, was etwas anderes erklärte, das sie gesehen, aber nicht hatte verstehen können, nämlich, daß sich die Nordwand von Ius bewegte. Das Gestein der Klippen blätterte ab und fiel in den Canyon. Dies erschütterte den Boden und löste weitere Zusammenbrüche aus und gigantische Wellen, die sich in die Flut ergossen und Wellen gegen den Strom über das Eis in Bewegung setzten. Infolgedessen brach der mit Wasser versetzte Fels explosionsartig weg, und der dampfende Reif drang so heftig in die von Staub geschwängerte Luft, daß Ann die Nordwand immer nur für Augenblicke sehen konnte.
    Und ohne Zweifel würde die Südwand auf ähnliche Weise zusammenbrechen, obwohl Ann diese Wand, die über ihre Straße nach rechts überhing, nur verkürzt und beschränkt sehen konnte. Aber sie würde fallen müssen. Nach dem, was sie von der Nordwand hatte sehen können, konnten die Chancen dafür bei fünfzig Prozent liegen. Aber da drüben war es vermutlich schlimmer; denn die Nordwand schien von der Flut unterspült zu werden, während die Südwand von ihr durch den Absatz getrennt war, über den sie fuhren. Also dürften die Klippen im Süden etwas stabiler sein...
    Aber dann wurde ihr Blick stromabwärts nach vorn gelenkt. Die Südwand da oben brach wirklich zusammen und fiel in großen Felsbrocken herunter. Die Basis der Klippe explodierte in einer Staubwolke, die sich über die Schutthalde ausbreitete. Die oberen Abschnitte der Klippe rutschten in diese Staubwolke hinein und verschwanden. Nach einer Sekunde sah man die ganze Masse horizontal aus der Wolke herausfliegen - ein seltsamer Anblick. Der Lärm war schmerzhaft laut, sogar im Wageninnern. Danach bewegte sich ein langer, langsamer Erdrutsch in die Flut hinein, wobei die Steine das Eis zertrümmerten und den Abfluß blockierten. Dieser zeitweilige Damm schnitt viel von dem Canyonstrom ab, daher fingen die Ufer der Flut an zu steigen. Ann beobachtete die Eisschicht der Küstenlinie unter der gebrochenen Stelle. Dann waren es Eisschollen, die in einem See aus schwarzem, dampfendem, zischendem Wasser tanzten, das schnell zum Rover hin anstieg. Wenn der Erdrutsch lange genug dauerte, würde sie die Flut verschlingen.
    Ann schaute auf den langen schwarzen Felssturz vor ihnen. Von ihm war nur noch ein Streifen über der Flut zu sehen. Aber der Matsch darunter stieg weiter. Es war ein richtiges Wettrennen. Die Badewanne des Großen Mannes, die ablief, während er neue volle Eimer hineingoß. Die Geschwindigkeit des Anstiegs veranlaßte Ann, ihre Abschätzung der Strömungsrate zu erhöhen. Sie fühlte sich gelähmt, gelöst und auf irgendeine seltsame Weise heiter. Es war ihr gleichgültig, ob der Damm brechen würde, ehe die Flut sie erreichte, oder nicht. Und in dem überwältigenden Getöse fühlte sie kein Bedürfnis, mit den anderen darüber zu sprechen. Das war unmöglich. Sie fand, daß sie irgendwie die Flut bejubelte. Sie würde ihnen allen nützen.
    Aber dann verschwand der durch den Erdrutsch gebildete Damm unter dem schmutzfarbenen Matsch und rutschte langsam, gleichmäßig zusammenbrechend stromabwärts. Der kurzlebige See sank zusehends. Eisblöcke auf seiner Oberfläche krachten mit lautem Getöse zusammen und schössen hoch in die Luft. Das alles war phantastisch laut und mußte jedesmal wohl mehr als hundert Dezibel betragen. Sie steckte sich die Finger in die Ohren. Der Wagen hüpfte auf und- ab.

Weitere Kostenlose Bücher