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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Sie sah, daß von den Klippen stromabwärts weitere Erdrutsche abgingen, ohne Zweifel wegen Unterspülung durch den jähen Anstieg der Flut. Die dadurch bewirkten Beben lösten weitere Zusammenbrüche aus, bis es so aussah, als ob sich der ganze Canyon füllen würde. Es schien unmöglich, daß in all dem Krach und Vibrieren ihre kleinen Wagen überleben würden. Die Reisenden klammerten sich an ihre Lehnstühle oder lagen wie Ann auf dem Boden, isoliert durch den Lärm. Ihre Venen durchströmte eine schreckliche Mischung aus Eis und Adrenalin. Selbst Ann, der es gleichgültig war, fand sich kurzatmig und hatte ihre Muskeln gegen die stürmischen Bewegungen angespannt.
    Als sie wieder hören konnten, was sie einander zubrüllten, fragten sie Ann, was geschehen sei. Sie blickte trübselig aus dem Fenster und ignorierte sie. Offenbar würden sie, jedenfalls für den Moment, überleben. Die Oberfläche der Flut bildete jetzt das chaotisch zerrissenste Terrain, das sie je gesehen hatte. Das Eis war zu einer Fläche scharfkantiger Scherben zerbrochen. Die höchste Stelle des Sees war an ihrem Absatz emporgestiegen, bis er nur noch etwas unterhalb von ihnen lag. Der wieder freigelegte feuchte Boden hatte sich in weniger als zwanzig Sekunden von rostigem Schwarz zu schmutzigem Weiß verändert. Frostzeit auf dem Mars.
     
    Sax war diese ganze Zeit in seinem Sessel geblieben, gefesselt durch das Flimmern auf seinem Schirm. Eine Menge Wasser würde verdunsten oder vielmehr gefrieren und sublimieren, murmelte er zu niemandem, während er arbeitete. Es war eine schwer karbonisierte Salzlauge, würde aber als mit Staub gefüllter Schnee enden, der irgendwo anders herunterkäme. Die Atmosphäre könnte wasserhaltig genug sein, daß es mehrere Male schneien würde oder sogar regelmäßig in Zyklen von Niederschlag und Sublimation. Somit würde das Wasser der Flut schön gleichmäßig planetenweit verteilt werden, außer vielleicht in den größten Höhen. Die Albedo würde dramatisch steigen. Man müßte sie senken, vielleicht durch Förderung der Schneealgen, die die Acherongruppe geschaffen hatte. (Aber Acheron gab es nicht mehr, sagte Ann ihm in Gedanken.) Schwarzes Eis würde bei Tag schmelzen und bei Nacht gefrieren. Sublimation und Ausfällung. Und so würden sie eine Wasserlandschaft haben. Ströme würden sich sammeln, Teiche bilden, abwärts fließen, gefrieren und expandieren in Spalten des Gesteins, sublimieren, schneien, schmelzen und wieder fließen. Eine vergletscherte oder schlammige Welt während der meisten Zeit. Aber nichtsdestoweniger eine Wasserlandschaft.
    Und jedes Merkmal des urtümlichen Mars würde dahinschmelzen. Der Rote Mars wäre dahin.
    Ann lag beim Fenster auf dem Boden. Ihre Tränen strömten dahin wie die Flut. Über den Damm ihrer Nase hinab, bis ihre rechte Wange, das Ohr und die Seite ihres Gesichts naß waren.
     
    »Dies wird es erschweren, den Canyon hinunterzugelangen«, sagte Michel mit einem leicht galligen Lächeln, und aus dem nächsten Wagen lachte Frank. Tatsächlich sah es so aus, daß es für sie unmöglich wäre, auch nur fünf Kilometer weiterzukommen. Direkt vor ihnen war die Canyonstraße unter dem großen Erdrutsch verschwunden. Das neue Steingeröll war zertrümmert und instabil, unterspült durch die Flut und von oben durch nachfolgende Brocken von dem neuen Abhang bombardiert.
    Die anderen debattierten lange, ob man wenigstens einen Versuch machen sollte. Sie mußten laut sprechen, um über dem einem Düsenflugzeug ähnlichen Lärm der Flut gehört zu werden, der noch unablässig anhielt. Nadia hielt den Abhang für selbstmörderisch, aber Michel und Kasei waren sich ziemlich sicher, daß sie einen Weg finden könnten; und es gelang ihnen nach einer ganztägigen Erkundung zu Fuß, Nadia zur Zustimmung zu bewegen. Und der Rest war dafür, wenn Nadia es war. Und so verteilten sie sich am nächsten Tag, vor Beobachtung geschützt durch den allgemeinen Staubsturm und den Dampf der Flut, auf die zwei Wagen und fuhren langsam auf die Hangrutschung hinaus.
    Sie bestand aus einer groben Masse von Kies und Sand, freigiebig mit Felsblöcken versetzt. Es gab aber eine dem Absatz darunter entsprechende Zone, die relativ eben war. Sie war das einzige Terrain, das eine Passage möglich machte. Es galt, einen unbehinderten Weg zu finden über eine Fläche wie schlecht gemischter Zement und herum um Felsblöcke und vorbei an einem gelegentlich klaffenden Loch. Michel fuhr kühn voran mit

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