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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Schwachsinnige gefangen gefühlt haben. Das war fast ein komischer Gedanke. Nur schien seine Stimmung irgendwie gestört zu sein. Sie wußte nicht, warum. Vielleicht war es der Verschleiß, vielleicht die zunehmende Wahrscheinlichkeit, daß sie nicht überleben würden, vielleicht bloß Hunger. Man konnte es nicht sagen. Die jungen Leute waren merkwürdig. Aber er erinnerte sie an Peter, und darum schaute sie ihn auch nicht an.
    Der Schnee machte jede Nacht schimmernd und unruhig. Er würde einmal völlig schmelzen, neue Flußbetten graben und ihren Mars beseitigen. Mars war verschwunden. Michel saß neben ihr während der zweiten Schichten in der Nacht und hielt Ausschau nach Wegzeichen. »Sind wir verloren?« fragte Maya ihn einmal kurz vor der Morgendämmerung.
    »Nein, keineswegs. Es ist nur... Wir hinterlassen Spuren im Schnee. Ich weiß nicht, wie lange sie halten werden oder wie gut sichtbar sie sind, aber wenn... Nun, für den Fall, daß sie sich halten, möchte ich den Wagen verlassen und den letzten Teil des Weges zu Fuß gehen. Darum möchte ich sehr genau wissen, wo wir uns befinden, ehe wir das tun. Wir haben einige Steine und Dolmen errichtet, die uns das zuverlässig sagen; aber ich muß einen davon finden. Sie werden am Horizont auftauchen, mußt du wissen. Felsblöcke etwas höher als gewöhnlich, oder Säulen.«
    »Sie werden bei Tage leichter zu sehen sein«, sagte Simon.
    »Gewiß. Wir werden uns morgen rings umschauen, und das sollte genügen. Wir dürften in einer solchen Gegend sein. Sie sind dafür gedacht, verirrten Menschen wie uns zu helfen. Wir werden bald in Sicherheit sein.«
    Nur waren ihre Freunde tot. Ihr einziges Kind war tot. Und ihre Welt war endgültig hinüber. Während Ann frühmorgens an den Fenstern lag, versuchte sie, sich das Leben in dem versteckten Zufluchtsort vorzustellen. Jahre um Jahre unter der Oberfläche. Das konnte sie nicht. Los, Idiot, los! Verdammt!
    Noch in der Morgendämmerung stieß Kasei ein wildes Triumphgeheul aus. Draußen am Nordhorizont war ein Trio auf gerichteter Steine. Eine Oberschwelle über zwei Pfeilern, als ob ein Teilstück von Stonehenge hierhergeflogen wäre. In dieser Richtung lag das Heim, sagte Kasei.
    Aber erst würden sie den Tag über abwarten. Michel wurde äußerst vorsichtig, um nicht von Satelliten gesehen zu werden, und wollte erst bei Nacht weiterfahren. Also ließen sie sich nieder, um etwas Schlaf zu finden.
    Ann fand keinen. Sie war durch einen neuen Entschluß voller Energie. Michel schnarchte zufrieden, sie alle schliefen zum ersten Mal seit etwa fünfzig Stunden. Sie schlüpfte in ihren Schutzanzug und ging auf Zehenspitzen in die Schleuse. Sie schaute sich um und betrachtete die Schlafenden. Ein hungriger, abgerissener Haufen. Nadias verkrüppelte Hand ragte an der Seite heraus. Das Aussteigen aus der Schleuse machte unvermeidbar ein Geräusch. Aber alle waren es gewohnt, bei Lärm zu schlafen, und das Summen und Knacken des Lebenserhaltungssystems übertönte ihren Ausstieg. Sie kam hinaus, ohne jemanden zu wecken.
    Die elementare Kälte des Planeten. Sie erschauderte darin und setzte sich nach Westen in Bewegung. Sie ging in den Spuren des Rovers, damit man ihr nicht folgen konnte. Die Sonne stach durch den Nebel. Es fiel wieder Schnee, rot gefärbt in Strahlen von Sonnenlicht. Sie trottete weiter, bis sie an einen kleinen Moränenhügel kam, dessen steile Seite schneefrei war. Sie konnte daran entlanggehen, ohne Spuren zu hinterlassen. Das tat sie, bis sie erschöpft war. Es war draußen wirklich kalt. Der Schnee fiel in kleinen Flocken senkrecht herunter, wahrscheinlich um Sandkörner kristallisiert. Am Ende der Moräne war ein dicker, niedriger Felsblock. Sie setzte sich in seinen Windschatten, stellte die Heizung ihres Anzuges ab und bedeckte das blinkende Warnlicht auf ihrem Handgelenk mit einem Schneeklumpen.
    Es wurde schnell kälter. Der Himmel war jetzt ein undurchsichtiges Grau mit einem Anflug von Rosa. Daraus fiel Schnee auf ihre Visierscheibe.
    Sie hatte gerade aufgehört zu zittern und wurde angenehm kühl, als ein Stiefel sie hart an den Helm stieß. Sie wurde auf die Knie hochgezerrt mit dröhnendem Kopf. Eine Gestalt im Schutzanzug stieß mit ihrem Visier fest auf ihres. Dann packten Hände sie wie mit einem Schraubstock fest an den Schultern und warfen sie zu Boden. »He!« schrie sie schwach. Sie wurde an den Schultern auf die Füße gezogen, und ihr unker Arm wurde zurückgebogen und hoch auf ihrem

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