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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Bahnen aus Metallgeflecht, die man unter Räder tat, die Löcher in den Sand gewühlt hatten, und die sich dann nach vorn spreizten, so daß die Räder etwas zu fassen bekamen. Eine alte Wüstenmethode. Frank lief vorn um den Rover herum, fluchte vor sich hin und gab Ann kurze Anweisungen, die mit zusammengebissenen Zähnen und verkrampftem Magen gehorchte.
    »Los!« brüllte Frank. »Los!«
    »Steig erst ein!« rief Ann.
    »Keine Zeit. Los, sie ist gleich hier! Ich werde mich an der Seite festhalten. Los, verdammt noch mal!«
    Also setzte Ann vorsichtig die Vorderräder in Gang und fühlte, wie sie griffen und den Wagen nach vorn über den Stein zerrten. Dann schurrten sie weg und waren frei. Aber das Getöse der Flut verdoppelte sich und wurde hinter ihnen noch stärker. Dann flogen Eisstücke am Wagen vorbei mit schrecklichem Krach. Dann wurde das Eis von einer dunklen Woge überflutet, die über die Fenster des Wagens spülte. Ann trat das Gaspedal bis zum Boden durch und hielt das in ihren Händen springende Lenkrad eisern fest. Neben dem Donnern der Flutwelle hörte sie Frank schreien: »Los, Idiot, los!« Danach erhielten sie einen harten Stoß, und der Wagen rutschte außer Kontrolle nach links. Ann hing an dem Lenkrad, das sie hin und her schleuderte. Ihr linkes Ohr schmerzte heftig, sie mußte irgendwo angestoßen sein. Sie klammerte sich am Rad fest und preßte das Gaspedal auf den Boden. Die Räder packten etwas, und der Rover mahlte durch Wasser, das von rechts nach links strömte. Die Flanke des Wagens erhielt einen dumpfen Stoß. »Los!« Sie hielt das Gaspedal am Boden und wandte sich bergauf. Sie hüpfte wild im Fahrersitz. Alle Fenster und Fernsehschirme zeigten flüssigen Wahnsinn. Dann floß das Wasser unter den Rover, und die Fenster wurden klar. Die Scheinwerfer des Wagens zeigten steinigen Boden, Schneefall und voraus ein kahles, flaches Gebiet. Ann raste mit Vollgas darauf zu, während hinter ihnen die Flut donnerte. Als sie die leicht ansteigende Stelle erreichte, mußte sie mit den Händen ihren Fuß und das Bein vom Gaspedal losreißen. Der Wagen hielt. Sie befanden sich oberhalb der Flut auf einem schmalen Absatz. Es sah so aus, als ob die Flut schon zurückginge. Aber Frank Chalmers war verschwunden.
     
    Maya bestand darauf, daß sie umkehrten und nach ihm suchten. Das taten sie auch, da die erste Flutwelle die größte gewesen zu sein schien. Aber es war vergebens. In dem Dämmerlicht schnitten die Scheinwerfer fünfzig Meter weit in den Schneefall; und in den zwei sich überkreuzenden gelben Lichtkegeln sahen sie nur die rauhe Oberfläche der Flut, ein treibendes Strandgut ohne die geringste Andeutung einer regelmäßigen Gestalt. Es sah wirklich aus wie eine Welt, in der solche Formen unmöglich sind. In einem solchen Irrsinn konnte niemand überleben. Frank war dahingegangen, entweder von dem hüpfenden Wagen gestoßen oder in seiner kurzen, tödlichen Begegnung mit der Woge weggeschwemmt.
    Seine letzten Flüche schienen noch aus der Statik im Interkom zu quellen, aus dem Dröhnen der Flut. Seine letzte beschwörende Aufforderung klang Ann in den Ohren wie das Urteil, welches sie war: Los, Idiot, los! Es war ihr Fehler gewesen, ganz ihr Fehler...
    Maya weinte, erstickte in Seufzern und krümmte sich wie im Krampf zusammen. »Nein!« schrie sie. »Frank, Frank! Wir müssen ihn suchen.« Dann weinte sie so, daß sie nicht mehr sprechen konnte. Sax kam hinzu und hockte sich neben sie. »Hier, Maya, willst du ein Beruhigungsmittel?« Sie richtete sich auf und schlug ihm die Pillen aus der Hand. Sie schrie: »Nein! Das sind meine Gefühle und meine Männer. Hältst du mich für einen Feigling, denkst du, ich möchte ein Zombie sein wie du?«
    Sie brach mit hilflosen, unfreiwilligen, erschütternden Schreien zusammen. Sax stand über ihr, er zwinkerte mit verzerrtem Gesicht und bestürzter Miene. Ann fühlte sich davon betroffen und sagte: »Bitte, bitte!« Sie erhob sich aus dem Fahrersitz, ging zu ihnen zurück und faßte Sax kurz am Arm. Sie bückte sich, um Nadia und Simon zu helfen, Maya vom Fußboden aufzuheben und zu Bett zu bringen. Maya war schon etwas ruhiger geworden, mit roten Augen und triefender Nase. In ihrem Kummer umklammerte sie mit einer Hand Nadias Handgelenk. Nadia blickte auf sie mit der objektiven Miene eines Arztes hinunter, zurückgezogen auf ihre eigene Art und auf russisch etwas murmelnd.
    »Maya, es tut mir leid«, sagte Ann. Ihre Kehle war zugeschnürt. Das

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