Mars Trilogie 1 - Roter Mars
ist verrückt, es ist...« Er faßte sich an den Kopf, raufte sich das Haar und brüllte: »Es ist unwissenschaftlich! Und ich sage, unter all den vielen Dingen, die wir auf dem Mars umgestalten, sollten auch wir selbst und unsere soziale Realität sein. Wir müssen nicht nur den Mars, sondern auch uns selbst umformen.«
Niemand wagte, dem zu widersprechen. Arkady in vollem Schwung ließ sich kaum aufhalten; und viele waren durch seine Worte ernstlich herausgefordert und brauchten Zeit zum Nachdenken. Andere waren bloß verstimmt, hatten aber keine Lust, bei diesem Bankett, das als Feier gedacht war, viel Staub aufzuwirbeln. Es war einfacher, mit den Augen zu rollen und beim Toast anzustoßen: »Zum Mars! Zum Mars!« Als sie aber nach dem Dessert umherschwebten, sagte Phyllis geringschätzig: »Erst müssen wir überleben. Wie gut werden unsere Chancen stehen bei solcher Unstimmigkeit?«
Michel Duval bemühte sich, sie zu trösten. »Viele dieser Meinungsverschiedenheiten sind Symptome des Fluges. Einmal auf dem Mars, werden wir zusammenstehen. Und wir haben mehr als das, was wir auf der Ares mitgebracht haben, um uns zu helfen - wir werden haben, was die unbemannten Landegeräte schon geliefert haben: Schiffsladungen von Gerät und Nahrung auf der ganzen Oberfläche und den Monden. Das ist alles für uns dort. Die einzige Beschränkung wird unsere Ausdauer sein. Und diese Reise ist ein Teil davon. Sie ist eine Art Vorbereitung, ein Test. Wenn wir hierbei versagen, sollten wir es auf dem Mars gar nicht erst versuchen.«
»Das ist genau, was ich meine!« sagte Phyllis. »Wir werden dabei scheitern.«
Sax stand auf, machte ein gelangweiltes Gesicht und stieß sich zur Küche hin ab. Der Saal war voll von dem Rauschen vielstimmiger Diskussionen, manche davon ziemlich bissig. Viele Leute waren offensichtlich auf Arkady wütend, und andere ärgerten sich ihrerseits über diese, weil sie es waren.
Maya folgte Sax in die Küche. Während er sein Tablett reinigte, seufzte er: »Die Menschen sind so gefühlsbetont. Manchmal komme ich mir vor wie in einer endlosen Vorstellung des Stücks Geschlossene Gesellschaft.«
»Das ist das, wo sie nicht aus einem kleinen Raum hinauskönnen?«
Er nickte. »Wo andere Leute die Hölle sind. Ich hoffe, daß wir diese Hypothese nicht ausprobieren werden.«
Einige Tage später waren die Landevehikel bereit. Sie würden während eines Zeitraums von fünf Tagen hinuntergehen. Nur das Phobosteam würde in dem zurückbleiben, was von der Ares noch übrig war und es zu einem Beinahe-Andocken mit dem kleinen Mond lenken. Arkady, Alex, Dmitri, Roger, Samantha, Edvard, Janet, Raul, Marina, Tatiana und Elena hatten Lebewohl gesagt, schon mit der bevorstehenden Aufgabe beschäftigt. Sie versprachen, alsbald hinunterzukommen, wenn die Phobos-Station errichtet war.
In der Nacht vor der Landung konnte Maya nicht schlafen. Schließlich gab sie den Versuch auf und zog sich durch die Räume und Korridore zur Nabe. Alles, was ihr im Schiff vertraut gewesen war, zeigte sich jetzt verändert durch festgezurrte Stapel von Kisten oder ein abgedichtetes Rohr. Es war, als hätten sie schon die Ares verlassen. Sie schaute sich ein letztes Mal um, von Gefühlen ausgelaugt. Dann zog sie sich durch die Schleusen in das ihr zugewiesene Landevehikel. Sie hätte ebensogut hier warten können. Sie kroch in ihren Raumanzug und hatte das Gefühl wie schon oft, wenn der richtige Moment kam, daß sie nur eine weitere Simulation ausführte. Sie fragte sich, ob sie je diesem Gefühl entrinnen würde, ob der Aufenthalt auf dem Mars dazu ausreichte, es zu beenden. Allein das wäre es schon wert, um sich wirklich als real zu empfinden. Sie ließ sich in ihrem Sitz nieder.
Einige schlaflose Stunden später stießen zu ihr Sax, Vlad, Nadia und Ann. Ihre Gefährten gurteten sich an, und sie gingen gemeinsam die Checkliste durch. Schalter wurden umgelegt. Dann kam ein Countdown. Die Raketen zündeten. Der Lander trieb von der Ares weg. Ein neuer Raketenstoß. Sie fielen auf den Planeten zu.
Sie gerieten in die Obergrenze der Atmosphäre, und ihr einziges trapezförmiges Fenster erglühte in marsfarbener Luft. Maya vibrierte mit dem Vehikel und starrte hinauf. Sie fühlte sich angespannt und unglücklich, konzentrierte sich mehr nach rückwärts als nach vorn und dachte an alle, die noch auf der Ares waren. Sie meinte, daß die verunglückt wären und sie fünf im Lander eine ungeordnete Gruppe hinter sich ließen.
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