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Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Mars Trilogie 1 - Roter Mars

Titel: Mars Trilogie 1 - Roter Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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einundfünfzig Jahre alt, eine rundliche kleine russische Frau mit grauem Haar, eine Bauarbeiterin mit einem fehlenden Finger. So schön, die Wärme eines anderen Körpers zu fühlen. Das war so lange her, und ihre Hand sog das Gefühl auf wie ein Schwamm, bis das arme Ding voll und warm kribbelte. Es mußte ihm merkwürdig vorkommen, dachte sie. Dann gab sie es auf und sagte: »Ich freue mich, daß du hier bist.«
     
    Die Anwesenheit von Arkady in Underhill war wie die Stunde vor einem Gewitter. Er veranlaßte die Leute, über das, was sie taten, nachzudenken. Gewohnheiten, in die sie unbedacht verfallen waren, wurden kritisch betrachtet. Unter diesem neuen Druck wurden manche depressiv und manche aggressiv. Alle laufenden Diskussionen wurden etwas heftiger. Natürlich gehörte die Debatte um das Terraformen dazu.
    Jetzt war diese Debatte keineswegs ein Einzelfall, sondern vielmehr ein anhaltender Prozeß, ein Thema, das immer wieder auftauchte, eine Sache beiläufiger Gespräche zwischen Einzelpersonen draußen bei der Arbeit, beim Essen und Einschlafen. Alles mögliche konnte es zur Sprache bringen: Der Anblick der weißen Reiffahne über Tschernobyl, die Ankunft eines von Robotern gefahrenen Rovers, beladen mit WasserEis aus der Polstation, Wolken am Dämmerungshimmel. Manch einer, der diese oder andere Phänomene sah, sagte: »Das alles wird einige Wärmeeinheiten für das System bringen«, oder: »Ist dies Hexafluoräthan nicht ein gutes Gas für Gewächshäuser?« Vielleicht folgte dann eine Diskussion über die technischen Aspekte dieses Problems. Manchmal kam das Thema abends wieder in Underhill zur Sprache und führte vom Technischen ins Philosophische und mitunter zu langen hitzigen Diskussionen.
    Natürlich beschränkte sich die Debatte nicht auf den Mars. Positionspapiere wurden ausgefertigt von politischen Zentren in Houston, Baikonur, Moskau, Washington und dem UN-Amt für Marsfragen in New York, sowie in Regierungsbüros, Zeitungsredaktionen, Körperschaftsgremien, Universitätsinstituten und Bars und Wohnungen in der ganzen Welt. Bei den Diskussionen auf der Erde fingen viele Leute an, die Namen der Kolonisten als eine Art von Kürzeln für die unterschiedlichen Positionen zu verwenden, so daß die Kolonisten selbst, wenn sie die Nachrichten von der Erde verfolgten, sahen, daß Leute sagten, sie wären für die Clayborne-Position .oder unterstützten das RussellProgramm. Diese Erinnerung an ihren enormen Ruhm auf der Erde, ihre Existenz als Personen in einem laufenden TV-Drama war immer wieder spaßig und aufregend. Nach der Flut von Sondersendungen und Interviews, die der Landung gefolgt waren, hatten sie dazu geneigt, die ständigen Fernsehübertragungen zu vergessen, absorbiert von der täglichen Realität ihres Lebens. Aber die Videokameras lieferten immer noch Berichte nach Hause; und es gab eine Menge Leute auf der Erde, die diese Shows liebten.
    So hatte fast jeder seine Meinung. Abstimmungen zeigten, daß die meisten für das Russell-Programm waren - ein inoffizieller Name für die Pläne von Sax, den Planeten so schnell wie möglich mit allen denkbaren Mitteln zu terraformen. Aber die Minorität, die hinter Anns Haltung, die Finger davon zu lassen, stand, vertrat ihre Ansicht heftiger und behauptete, daß diese Frage unmittelbaren Einfluß auf die Antarktis-Politik und überhaupt alle Umweltmaßnahmen auf der Erde hätte. Inzwischen zeigten verschiedene in den Abstimmungen gestellte Fragen, daß viele Leute von Hiroko und dem Farmprojekt fasziniert waren, während andere sich Bogdanovisten nannten. Arkady hatte nämlich von Phobos eine Menge Videos geschickt; und Phobos war gut im Fernsehen, ein wahres Beispiel von Architektur und Ingenieurskunst. Neue Hotels und kommerzielle Zentren auf der Erde ahmten schon manche seiner Züge nach. Es gab in der Architektur eine Bewegung namens Bogdanovismus, während andere an ihm interessierte Bewegungen sich mehr auf soziale und ökonomische Reformen der Weltordnung konzentrierten.
    Aber das Terraformen stand immer dicht beim Zentrum all dieser Debatten, und die Meinungsverschiedenheiten der Kolonisten darüber wurden auf der größten möglichen öffentlichen Bühne ausgetragen. Manche reagierten, indem sie Kameras vermieden und Bitten um Interviews verweigerten. »Davon komme ich gerade her«, sagte Hirokos Assistent Iwao, und recht viele pflichteten ihm bei. Die meisten übrigen kümmerten sich nicht um die eine oder die andere Richtung. Manchen

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