Mars Trilogie 1 - Roter Mars
Vorsicht mahnten, sicher, daß es zum Terraformen kommen würde. Ein Unterausschuß des Marskomitees der UN war zusammengetreten, um das Thema zu erörtern; und auf der Erde hatte es jetzt den Charakter eines gegebenen unvermeidlichen Teils des Fortschritts angenommen, eines natürlichen Teils der Ordnung der Dinge. Ein offenkundiges Schicksal.
Auf dem Mars indessen war die Frage zugleich offener und dringender, weniger eine Sache der Philosophie als des täglichen Lebens, von kalter giftiger Luft und der aufgenommenen Strahlung. Unter den Befürwortern des Terraformens scharte sich eine bedeutende Gruppe um Sax - eine Gruppe, die es nicht nur tun, sondern so schnell wie möglich tun wollte. Niemand war sich sicher, was das in der Praxis bedeutete. Schätzungen der Zeit, die es erfordern würde, eine >menschengerechte Oberfläche< zu bekommen, reichten von einem Jahrhundert bis zu zehntausend Jahren, mit extremen Ansichten an beiden Enden von dreißig Jahren (Phyllis) bis zu hunderttausend Jahren (Iwao). Phyllis sagte: »Gott hat uns diesen Planeten gegeben, um ihn nach unserm Bilde zu gestalten, um ein neues Eden zu schaffen.« Simon sagte: »Wenn der Permafrost schmilzt, würden wir auf einer zusammenbrechenden Landschaft leben, und eine Menge von uns würde getötet werden.« Die Argumente gingen über einen weiten Bereich von Themen: Niveaus von Salz, Peroxid und Strahlung, Aussehen des Landes, mögliche lethale Mutationen genetisch behandelter Mikroorganismen und so weiter.
Sax sagte: »Wir können versuchen, es zu modellieren; aber wir werden nie imstande sein, es adäquat zu modellieren. Es ist zu groß, und es gibt zu viele Faktoren, von denen viele unbekannt sind. Aber was wir daraus lernen werden, dürfte nützlich sein für die Beherrschung des Erdklimas, zur Vermeidung einer globalen Erwärmung oder einer künftigen Eiszeit. Es ist ein Experiment, ein großes, und es wird stets ein fortlaufendes Experiment sein, bei dem nichts garantiert oder sicher bekannt ist. Aber so ist nun einmal die Wissenschaft.«
Die Leute pflegten an dieser Stelle zu nicken.
Arkady dachte wie immer an die politische Seite der Sache. Er erklärte: »Wir können nie autark sein, wenn wir nicht terraformen. Wir müssen das tun, um uns den Planeten zu eigen zu machen, damit wir eine materielle Basis für die Unabhängigkeit haben werden.«
An dieser Stelle pflegten die Leute die Augen zu verdrehen. Aber es bedeutete, daß Sax und Arkady in gewisser Weise Verbündete waren; und das war eine starke Kombination. Und so gingen die Argumente immer und immer wieder herum und herum - endlos.
Und jetzt war Underhill fast fertig, ein funktionierendes und in sehr vieler Hinsicht autarkes Dorf. Jetzt war es möglich, weiterzugehen. Jetzt mußten sie entscheiden, was als nächstes zu tun wäre. Und die Mehrheit wollte terraformen. Es wurde jede Menge Projekte vorgebracht, um den Prozeß zu beginnen, die alle ihre Befürworter hatten, gewöhnlich bei denen, die für die Ausführung verantwortlich sein würden. Das war ein wichtiges Motiv für die Beliebtheit der Sache. Eine jede Disziplin konnte auf die eine oder andere Weise dazu beitragen. Darum genoß die Sache breite Unterstützung. Die Alchemisten redeten über physikalische und mechanische Mittel, dem System mehr Wärme zuzuführen. Die Klimatologen debattierten über eine Beeinflussung des Wetters. Das Biosphärenteam sprach über zu prüfende ökologische Systeme. Die Bioingenieure arbeiteten schon an neuen Mikroorganismen. Sie verlagerten, beschnitten und rekombinierten Gene von Algen, Methanogenen, Cyanobakterien und Flechten im Versuch, Organismen zu erzielen, die auf oder unter der gegenwärtigen Marsoberfläche leben könnten. Eines Tages luden sie Arkady ein, einen Blick auf das zu werfen, was sie machten, und Nadia kam mit ihm.
Sie hielten einige ihrer genetischen Prototypen in Mars-Behältern, von denen der größte eines der alten Habitate im Anhängerpark war. Sie hatten es aufgemacht, Regolith auf den Fußboden gehäuft und es wieder hermetisch versiegelt. Darin arbeiteten sie mit Fernbedienung und betrachteten die Resultate aus dem benachbarten Anhänger, wo Meßinstrumente Daten lieferten und Bildschirme zeigten, was die verschiedenen Schalen produzierten. Arkady sah sich genau jeden Schirm an, aber es gab nicht viel zu sehen. Ihre alten Unterkünfte, bedeckt mit Plastikbehältern voll roten Schmutzes, Roboterarme, die sich von ihren Halterungen gegen die Wände
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