Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
das praktizierten, was zu der allgemeinen Reizbarkeit und Abwehrhaltung beitrug. Ein jeder wußte, was vor sich ging, aber niemandem gefiel es; und dennoch wollte keiner es zugeben.
Dies war nirgendwo deutlicher als in der Podiumsdiskussion des letzten Vormittags über die CO2-Frage. Daraus wurde rasch eine Verteidigung der Soletta und der Luftlinse, welche die beiden Wissenschaftler von Subarashii vehement vortrugen. Sax saß im Hintergrund und hörte sich ihre enthusiastische Beschreibung der großen Spiegel an, wobei er sich immer unbehaglicher fühlte. Die Soletta an sich gefiel ihm, die nichts weiter war als die logische Fortsetzung der Spiegel, die er ganz zu Beginn in den Orbit gebracht hatte. Aber die tief fliegende Luftlinse war ganz deutlich ein äußerst mächtiges Instrument und würde, wenn man sie mit voller Kapazität auf die Oberfläche richtete, Hunderte Millibar an Gasen in die Atmosphäre verdampfen lassen, zumeist Kohlendioxid, das sie nach Saxens Einphasenmodell nicht brauchten und das mit großer Wahrscheinlichkeit im Regolith gebunden bleiben würde. Nein - über die Wirkungen dieser Luftlinse würde man etliche sehr scharfe Fragen stellen müssen; und die Leute von Subarashii würden streng kritisiert werden müssen, weil die das Schmelzen des Regoliths angefangen hatten, ohne irgendwen außerhalb ihres bürokratischen UNTA-Komitees zu befragen. Aber Sax wollte die Aufmerksamkeit nicht auf sich lenken und konnte deshalb nur da sitzen mit Ciaire und Berkina und seinem elektronischen Notizbuch. Er druckste in seinem Sessel herum und hoffte, daß ein anderer für ihn die harten Fragen stellen würde.
Und da es offenbar sehr harte Fragen gab, wurden sie auch gestellt. Ein Wissenschaftler von Mitsubishi, der mit Subarashii einen ständigen Privatkrieg führte, stand auf und erkundigte sich sehr höflich nach dem außer Kontrolle geratenen Gewächshauseffekt, der durch zu viel Kohlendioxid bewirkt werden könnte. Sax nickte energisch. Aber die Wissenschaftler von Subarashii entgegneten, daß dies gerade das wäre, worauf sie hofften, und daß es gar nicht genug Wärme geben könnte und daß ein letztlicher atmosphärischer Druck von sieben- oder achthundert Millibar auf jeden Fall fünfhundert vorzuziehen wäre. »Aber nicht, wenn es Kohlendioxid ist!« knurrte Sax Ciaire zu, die nickte. H. X. Borazjani stand auf und erklärte dasselbe. Ihm folgten andere. Viele im Raum benutzten noch Saxens Originalmodell als Schema für ihre Aktionen und betonten auf viele verschiedene Weisen die Schwierigkeit, jeden großen Überschuß an CO2 aus der Luft zu entfernen. Aber es gab auch eine ganze Reihe Wissenschaftler von Armscor und Consolidated wie auch Subarashii, die entweder erklärten, daß die Säuberung nicht schwierig sein würde oder daß eine an Kohlendioxid reiche Atmosphäre gar nicht so schlimm sein würde. Ein Ökosystem, das hauptsächlich aus Pflanzen bestünde mit gegen Kohlendioxid resistenten Insekten und vielleicht einigen genetisch manipulierten Tieren würde in der warmen dichten Luft gedeihen; und die Leute könnten in Hemdsärmeln herumspazieren mit keiner größeren Behinderung als einer Gesichtsmaske.
Das brachte Sax auf die Palme, und zum Glück war er nicht der einzige, so daß er sitzen bleiben konnte, während andere sich erhoben, um diese fundamentale Änderung beim Ziel des Terraformens in Frage zu stellen. Die Diskussion wurde rasch hitzig und sogar ruppig.
»Wir haben es nicht auf einen Dschungelplaneten abgesehen!«
»Ihr macht heimlich die Annahme, daß man Menschen genetisch so manipulieren kann, daß sie höhere Niveaus an Kohlendioxid vertragen. Aber das ist lächerlich!«
Es wurde sehr bald deutlich, daß nichts zustande kommen würde. Niemand hörte wirklich zu, und jeder hatte seine eigene Meinung, die eng nach den Interessen der jeweiligen Firma ausgerichtet war. Es war wirklich häßlich. Ein gegenseitiger Widerwille gegen den Ton der Debatte veranlaßte alle außer den unmittelbar Beteiligten, sich zurückzuziehen. Um Sax herum falteten Leute ihre Programme zusammen, stellten ihre Notizgeräte ab und flüsterten mit ihren Kollegen, während immer noch Menschen da standen und redeten ... ohne Zweifel ein schlechtes Benehmen. Aber nach kurzem Nachdenken wurde klar, daß sie jetzt über politische Entscheidungen stritten, die ohnehin nicht auf der Ebene aktiver Wissenschaftler zu treffen waren. Das gefiel niemandem; und die Leute fingen auch an aufzustehen und den
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