Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
anders gekommen. Und vielleicht ist das wahr. Denn die Geschichte konnte kaum finsterer verlaufen, als es geschah.«
    Nirgal war durch diese Darstellung überrascht und wandte ein: »Aber jetzt machen wir einen Neuanfang.«
    »Das ist richtig, Junge! Wir sind die Primitiven einer unbekannten Zivilisation. Wir leben in unserer eigenen techno-minoischen Matriarchie. Ha! Ich persönlich finde das prima. Mir scheint bereits, daß die Macht, die unsere Frauen übernommen haben, nie so interessant gewesen ist. Macht ist nur die Hälfte des Jochs. Erinnerst du dich daran aus dem Zeug, das ich euch Kinder habe lesen lassen? Herr und Sklave tragen das Joch gemeinsam. Anarchie ist die einzige wahre Freiheit. Aber was auch immer die Frauen tun, scheint sich gegen sie zu richten. Wenn sie Kühe der Männer sind, arbeiten sie bis zum Umfallen. Wenn sie aber unsere Königinnen und Göttinnen sind, dann arbeiten sie nur um so härter, weil sie immer noch die Arbeit der Kühe verrichten müssen und dann auch noch den Papierkram. Da gibt es keinen anderen Weg. Sei nur dankbar, daß du ein Mann bist und so frei wie der Himmel!«
    Es war L s 4, 22. Zweitmärz im Marsjahr 32, und die Tage im Süden wurden kürzer. Cojote fuhr die ganze Nacht angestrengt dahin, über schwierige und unsichtbare Wege durch ein Gelände, das immer rauher wurde, je weiter sie sich von der Polkappe entfernten. Sie hielten an, um bei Tag zu ruhen, und fuhren die ganze übrige Zeit. Nirgal bemühte sich, wach zu bleiben, verschlief aber unweigerlich jedesmal einen Teil der Fahrt und auch noch einen Teil des Aufenthaltes am Tage, bis er mit Zeit und Raum völlig durcheinander war.
    Aber wenn er wach war, schaute er fast immer aus dem Fenster auf die sich ständig verändernde Oberfläche des Mars. Er konnte nicht genug davon bekommen. In dem geschichteten Terrain gab es unendliche Strukturen. Die abgeflachten Sandhügel wurden vom Wind verweht, bis jede Düne wie ein Vogelfügel eingeschnitten war. Wenn das Gelände schließlich auf freies Urgestein auslief, wurden die geschichteten Dünen zu einzelnen Sandinseln, verstreut über ein wirres Gebiet von freiliegendem Regolith und Steinhaufen. Wohin er auch blickte, gab es rotes Gestein in der Größe von Kieseln bis zu immensen Felsblöcken, die wie Gebäude auf dem Sand standen. Die Sandinseln waren in dieser steinigen Gegend in jede Senke und Höhlung geduckt und drängten sich auch um die Füße großer Blöcke und an die Leeseiten niedriger Grate und in das Innere von Kratern.
    Und Krater gab es überall. Sie erschienen erst wie zwei Buckel am Horizont, die sich schnell als zusammenhängende Punkte einer niedrigen Leiste herausstellen. Sie kamen an Dutzenden dieser Hügel mit flachem Gipfel vorbei - manche steil und scharf, andere niedrig und fast begraben, noch andere mit Rändern, die durch kleinere spätere Einstürze zerbrochen waren, so daß man direkt den Flugsand sehen konnte, der sie ausfüllte.
    Eines Nachts kurz vor dem Morgengrauen hielt Cojote an.
    »Fehlt etwas?«
    »Nein. Wir haben Ray's Lookout erreicht, und ich möchte, daß du ihn siehst. In einer Stunde wird die Sonne da sein.«
    So saßen sie in den Fahrersesseln und erwarteten die Dämmerung.
    »Junge, wie alt bist du?«
    »Sieben.«
    »Was heißt das? Dreizehn Erdenjahre? Vierzehn?«
    »So nehme ich an.«
    »Oho! Du bist schon größer als ich.«
    »Na und?« Nirgal verzichtete darauf hinzuweisen, daß das keine besondere Größe bedeutete. »Und wie alt bist du?«
    »Einhundertundneun. Ah ah ha! Mach lieber die Augen zu, sonst fallen sie dir aus dem Kopf! Sieh mich nicht so an! Ich war alt am Tage meiner Geburt und werde jung sein, wenn ich sterbe.«
    Sie dösten dahin, während der Himmel am östlichen Horizont allmählich eine tief purpurblaue Farbe annahm. Cojote summte ein Liedchen vor sich hin, als ob er eine Tablette Omegendorph eingenommen hätte, wie er es oft abends in Zygote tat. Allmählich wurde klar, daß der Horizont weit entfernt war und sich um sie zu runden schien, eine schwarze krumme Wand, die unendlich weit entfernt war auf einer schwarzen steinigen Ebene. »He, Cojote!« rief Nirgal. »Was ist das?«
    »Ha!« sagte Cojote, und er klang tief befriedigt.
     
    Der Himmel wurde hell, und die Sonne brach plötzlich über die Oberkante der fernen Wand und blendete Nirgal für einige Zeit. Aber als die Sonne höher stieg, wichen die Schatten auf der riesigen halbkreisförmigen Klippe Keilen von Licht, die scharf gezackte

Weitere Kostenlose Bücher