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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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konnte. Ein Teil von ihm konnte die große Marknadel spüren, die gegen seinen Oberarmknochen stieß. Keine Schmerzen, überhaupt kein Gefühl in seinem Fleisch, nur ein Druck auf dem Knochen. Dann ließ es nach; und er wußte, daß die Nadel in das weiche Innere seines Knochens eingedrungen war.
    Diesmal half der Prozeß überhaupt nicht. Simon war nutzlos und blieb ständig im Krankenhaus. Nirgal besuchte ihn dort von Zeit zu Zeit, und sie machten auf Simons Schirm ein Wetterspiel, drückten auf Knöpfe, um Würfel rollen zu lassen, und stießen Rufe aus, wenn der Wurf eins oder zwölf sie jäh auf einen anderen Quadranten des Mars versetzte, einen mit völlig neuem Klima. Simons Lachen, das nie mehr als ein Kichern gewesen war, war inzwischen zu einem leichten Lächeln dahingeschwunden.
    Nirgals Arm tat weh, und er schlief schlecht, warf sich nachts hin und her und erwachte heiß und verschwitzt und grundlos erschrocken. Dann weckte Hiroko ihn eines Nachts aus tiefem Schlaf und führte ihn die Wendeltreppe hinunter zum Krankenhaus. Nirgal lehnte sich benommen bei ihr an, nicht imstande, voll wach zu werden. Hiroko war ungerührt wie immer, hatte aber den Arm um seine Schultern gelegt und hielt ihn mit erstaunlicher Kraft. Als sie an Ann vorbeikamen, die im Vorraum des Hospitals saß, veranlaßte etwas an deren hängenden Schultern Nirgal, sich zu fragen, warum Hiroko hier bei Nacht im Dorf war; und er bemühte sich, von Furcht gepackt, ganz wach zu werden.
    Das Bettenzimmer des Krankenhauses war übermäßig hell von scharfen Lampen, die flackerten, als ob überall Glanzlichter hervorbrechen würden. Simon lag mit dem Kopf auf einem weißen Kissen. Seine Haut war blaß und wächsern. Er sah tausend Jahre alt aus.
    Er wandte den Kopf und sah Nirgal. Seine dunklen Augen suchten sein Gesicht mit einem hungrigen Blick, als ob er einen Weg in sein Inneres zu finden suchte - einen Weg, zu ihm hinüberzuspringen. Nirgal schauerte es, und er parierte den starren dunklen Blick und dachte: Okay. Komm in mich herein! Tu, was du willst! Mach nur!
    Aber es gab keinen Weg hinüber. Das erkannten beide und entspannten sich. Über Simons Gesicht huschte ein leichtes Lächeln, und er langte mit Mühe hin und faßte Nirgals Hand. Jetzt ruckten seine Augen hin und her. Sie suchten Nirgals Gesicht mit einer völlig anderen Miene, als ob er nach Worten suchte, die Nirgal in den kommenden Jahren helfen würden, wenn sich etwas ereignen würde, das Simon erfahren hatte.
    Aber auch das war unmöglich. Wieder sahen beide das ein. Simon würde Nirgal seinem Schicksal überlassen müssen, wie es auch sein möge. Da konnte man nicht helfen. »Sei gut!« flüsterte er endlich; und Hiroko führte Nirgal aus dem Zimmer. Sie brachte ihn durch die Dunkelheit wieder in seinen Raum hinauf; und er sank in tiefen Schlaf.
    Simon starb irgendwann in der Nacht.
    Es war das erste Begräbnis in Zygote und für alle Kinder überhaupt das erste. Aber die Erwachsenen wußten, was zu tun war. Sie kamen in einem Gewächshaus zusammen und setzten sich zwischen den Arbeitsbänken im Kreis um den großen Kasten, der Simons Körper enthielt. Sie reichten eine Flasche Reisschnaps herum, und jeder schenkte seinem Nachbarn ein. Sie tranken das feurige Zeug aus. Dann faßten sich die Alten bei den Händen um den Sarg und setzten sich dicht gedrängt um Ann und Peter wieder hin. Maya saß bei Ann und hatte die Arme um ihre Schultern gelegt. Ann wirkte betroffen und Peter untröstlich. Jürgen und Maya erzählten Geschichten über Simons legendäre Schweigsamkeit. »Einmal«, sagte Maya, »waren wir in einem Rover, und da platzte ein Sauerstoffkanister und schlug ein Loch ins Kabinendach. Wir rannten alle schreiend herum. Simon, der draußen gewesen war, nahm einen Stein von genau der richtigen Größe, sprang hoch und preßte ihn in das Loch, wo er ihn feststopfte. Danach redeten wir alle wie verrückt durcheinander und arbeiteten an einem richtigen Stopfen. Da merkten wir plötzlich, daß Simon immer noch keinen Ton gesagt hatte. Wir hörten alle mit der Arbeit auf und sahen ihn an. >Das war knapp<, sagte er.«
    Sie lachten. Vlad sagte: »Oder denkt an die Zeit, da wir in Underhill Ulkpreise ausgaben und Simon einen für das beste Video bekam. Er ging hin, um ihn entgegenzunehmen, sagte >Danke!< und machte sich daran, wieder zu seinem Platz zu gehen. Aber dann blieb er stehen, als ob ihm noch etwas eingefallen wäre, das er sagen wollte. So ging er wieder zum Podium,

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