Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
eine unscharfe, schwindelerregende Masse von Buckeln und Farbflecken - weiß, braun, rostrot und wieder weiß. Das war ihm unangenehm.
Cojote sagte: »Ein Sturm zieht auf«, und Nirgal erkannte plötzlich, daß die Farben über ihnen eine Flotte hoher fester Wolken waren, die über einen violetten Himmel fuhren mit der Sonne im Westen. Die Wolken waren oben weißlich und ganz wie Lappen, aber unten dunkelgrau. Diese Wolkenunterseiten waren ihren Köpfen näher als der Boden des Beckens, und sie waren flach ausgerichtet, als ob sie auf einem transparenten Boden glitten. Die Welt da unten war keineswegs so gleichmäßig, sondern bräunlich gefleckt. Ah, das waren die Schatten der Wolken, die sich sichtlich bewegten. Und die weiße Sichel da draußen in der Mitte war die Polkappe! Sie konnten die ganze Strecke bis nach Hause sehen. Daß er das Eis erkannte, gab ihm das letzte bißchen an Perspektive, die er brauchte, um die Dinge zu verstehen. Und die Farbflecken stabilisierten sich zu einer buckligen, unebenen Ringlandschaft, die von ziehenden Wolkenschatten gefleckt war.
Für diese verwirrende Erkenntnis hatte Nirgal nur wenige Sekunden gebraucht, aber als er damit fertig war, sah er, daß Cojote ihn mit einem breiten Grinsen beobachtete.
»Wie weit können wir sehen, Cojote? Wie viele Kilometer?«
Cojote kicherte nur. »Junge, frag den Großen Mann! Oder rechne es dir selbst aus! Was, dreihundert Kilometer? So ungefähr. Für den Großen nur ein Sprung. Tausend Reiche für die Kleinen.«
»Ich möchte die laufen.«
»Das tust du sicher. Oh, schau nur! Dort - von den Wolken über der Kappe. Ein Blitz, siehst du ihn? Dieses leichte Flimmern - das sind Blitze.«
Aber es gab auch große Lichtfäden, die lautlos auftauchten und verschwanden, einer oder zwei alle paar Sekunden. Sie verbanden schwarze Wolken mit weißem Boden. Endlich sah Nirgal Blitze mit eigenen Augen. Die weiße Welt funkelte in die grüne und schüttelte sie. »Es geht nichts über einen großen Sturm«, versicherte Cojote. »Oh, draußen im Wind zu sein! Wir haben diesen Sturm gemacht, Junge. Obwohl ich denke, daß ich sogar einen noch größeren machen könnte.«
Aber einen größeren konnte Nirgal sich überhaupt nicht vorstellen. Was unter ihnen lag, war kosmisch weit - elektrisch mit Farbe durchsetzt, winderfüllt in seiner Weiträumigkeit. Er war wirklich etwas erleichtert, als Cojote ihren Wagen wendete und losfuhr. Der unscharfe Anblick verschwand, und der Rand der Klippe hinter ihnen wurde zu einem neuen Horizont.
»Was ist eigentlich ein Blitz?«
»Nun, Blitz ... Mist! Ich muß gestehen, daß der Blitz eines jener Phänomene in dieser Welt ist, deren Erklärung ich nicht im Kopf behalten kann. Man hat es mir gesagt, aber es entfällt mir immer wieder. Natürlich Elektrizität, etwas mit Elektronen oder Ionen, positiv und negativ, Ladungen, die sich in Gewitterköpfen aufbauen, zum Boden hin entladen oder auch zugleich nach oben und unten springen, so glaube ich mich zu erinnern. Wer weiß? Kra-wumm! Das ist ein Blitz, he?«
Die weiße Welt und die grüne, die sich aneinander reiben und dann zuschnappen. Natürlich.
Auf dem Plateau nördlich der Promethei Rupes waren mehrere Zufluchtsstätten, einige davon in Wänden von Böschungen und Kraterrändern versteckt, andere einfach in Kratern unter klaren Zeltkuppeln gelegen, wo sie von keiner Polizei gesehen werden konnten. Als Cojote zum ersten Mal den Rand eines solchen hinauffuhr und sie durch das klare Zeltdach auf ein Dorf unter den Sternen schauten, war Nirgal wieder einmal erstaunt, wenn auch weniger als vorhin, über die Landschaft. Gebäude wie die Schule, das Badehaus und die Küche, Bäume, Gewächshäuser - das war alles im Grunde vertraut. Aber wie konnte man damit zurechtkommen draußen im Freien wie hier? Das war verwirrend.
Und so voller Menschen, von Fremden. Nirgal hatte theoretisch gewußt, daß in den südlichen Zufluchtsstätten viele Leute lebten, fünftausend, wie man sagte, alles besiegte Rebellen aus dem Krieg von 2061. Aber es war etwas anderes, so schnell so viele von ihnen anzutreffen und zu sehen, daß das wirklich so war. Und der Aufenthalt in den nicht versteckten Siedlungen machte ihn äußerst nervös. Er fragte Cojote: »Warum machen sie das? Warum werden sie nicht verhaftet und weggeschafft?«
»Du hast es erfaßt, Junge. Das könnte wohl sein. Aber es ist noch nicht passiert, und darum glauben sie, daß es nicht der Mühe wert ist, sich zu
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