Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
Vom Netzwerk:
was natürlich unsere Aufmerksamkeit weckte. Er räusperte sich und sagte: >Vielen Dank!<«
    Ann lachte beinahe darüber, stand dann auf und führte sie in die frische Luft hinaus. Die Alten trugen die Kiste zum Strand hinunter, und alle anderen folgten ihnen. Es war bewölkt und schneite, als sie seine Leiche herausnahmen und tief im Sand vergruben, knapp über der Hochwassermarke. Dann nahmen sie den langen Sargdeckel und brannten mit Nadias Lötkolben seinen Namen hinein. Dann steckten sie das Brett in die erste Düne. Jetzt würde Simon ein Teil des Kohlenstoffzyklus sein als Nahrung für Bakterien und Krabben und dann Schnepfen und Möwen und damit in die Biomasse unter der Kuppel eingehen. So war es, wenn jemand beerdigt wurde. Und das war gewiß auch etwas tröstlich: sich in seiner Welt ausbreiten und sich in ihr zu verteilen. Aber als Persönlichkeit zu enden und wegzugehen ...
    Nachdem sie Simon im Sand begraben hatten, gingen sie alle unter der trüben Kuppel dahin und versuchten so zu tun, als ob die Realität nicht jäh zerrissen wäre und einen der ihren weggerissen hätte. Nirgal konnte es nicht glauben. Sie marschierten ins Dorf zurück, pusteten auf ihre kalten Hände und redeten mit gedämpfter Stimme. Nirgal näherte sich Vlad und Ursula in der Hoffnung auf etwas Trost. Ursula war traurig, und Vlad bestrebt, sie aufzuheitern. »Er hat mehr als hundert Jahre gelebt. Wir können seinen Tod nicht für verfrüht halten. Sonst wäre das eine Kränkung für alle jene armen Leute, die mit fünfzig, zwanzig oder einem Jahr gestorben sind.«
    »Aber es war doch vorzeitig«, sagte Ursula hartnäckig. »Bei den Behandlungen - wer weiß? Er hätte tausend Jahre leben können.«
    »Ich bin mir da nicht so sicher. Mir scheint, daß die Behandlungen nicht ganz zu jedem Teil unserer Körper vordringen. Und bei all der Strahlung, die wir aufgenommen haben, könnten wir mehr Schwierigkeiten haben, als wir zuerst dachten.«
    »Vielleicht. Aber wenn wir in Acheron gewesen wären mit dem ganzen Team, einem Bioreaktor und sämtlichen Hilfsmitteln, so wette ich, daß wir ihn hätten retten können. Und man kann auch nicht sagen, wie viele Lebensjahre er noch hätte haben können. Das nenne ich vorzeitig.«
    Ann ging fort, um allein zu sein.
    In dieser Nacht konnte Nirgal überhaupt nicht schlafen. Er fühlte ständig noch die Transfusion, sah jeden Moment davon und stellte sich vor, daß es in dem Körper eine Nachwirkung gegeben haben könnte, so daß er mit der Krankheit infiziert worden wäre. Oder nur durch Berührung kontaminiert, warum nicht? Oder bloß durch den letzten Ausdruck in Simons Augen! So daß er die Krankheit erwischt hatte, die sie nicht aufhalten konnten, und er sterben würde. Steif werden, verstummen, anhalten und fortgehen. Das war Tod. Sein Herz pochte, und Schweiß drang ihm aus der Haut. Er schrie vor Angst. Man konnte ihm nicht entkommen, und es war schrecklich. Schrecklich, ganz gleich, wann es geschah. Schrecklich, daß der Zyklus einen solchen Verlauf nahm; daß er immer wieder seine Runden machte, während sie nur einmal lebten und für immer starben. Warum überhaupt leben? Es war zu fremdartig und zu schrecklich. Und so bebte er während der ganzen Nacht. Sein Geist drehte sich wie ein Zyklon in Todesangst.

D anach fand er es äußerst schwer, sich zu konzentrieren. Er hatte ein Gefühl, als ob er von den Dingen distanziert wäre, als ob er aus der weißen Welt hinausgeschlüpft wäre und die grüne nicht berühren könnte.
    Hiroko erkannte dieses Problem und schlug ihm vor, Cojote auf einer seiner Fahrten nach draußen zu begleiten. Nirgal war von dieser Idee entsetzt, da er nie weiter als einen Spaziergang von Zygote entfernt gewesen war. Aber Hiroko beharrte darauf. Sie sagte, er wäre jetzt sieben Jahre alt und dabei, ein Mann zu werden. Es sei an der Zeit, etwas von der Oberflächenwelt zu sehen.
    Ein paar Wochen später kam Cojote vorbei. Und als er wieder wegfuhr, war Nirgal bei ihm. Er saß auf dem Copilotenplatz in dem Felsenwagen und starrte durch die niedrige Windschutzscheibe auf den Purpurbogen des Abendhimmels. Cojote fuhr eine Runde, um ihm einen Blick auf die große leuchtende rötliche Wand der Polkappe zu geben, die den Horizont wie ein riesiger aufgehender Mond überwölbte.
    »Es ist schwer zu glauben, daß etwas so Großes jemals schmelzen könnte«, sagte Nirgal.
    »Es wird eine Weile dauern.«
    Sie fuhren in mäßigem Tempo nach Norden. Der Felsenwagen war getarnt

Weitere Kostenlose Bücher