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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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kannst du es noch aushalten, mit mir beisammen zu sein, auch wenn ich so aussehe?«
    »O Maya!« Er lachte. »Ja, du bist immer noch schön, wenn du das wissen willst. Und das tust du auch noch, Gott sei Dank!« Er zog sie an sich, ging dann zurück und betrachtete sie. »Es ist etwas herb, wird aber reichen.«
    Sie stieß ihn fort. »Und niemand wird mich erkennen.«
    »Niemand, der dich nicht kennt.« Er stand auf. »Los! Hast du Hunger?«
    »Ja. Laß mich nur mich umziehen!«
    Er setzte sich auf das Bett und sah ihr dabei zu. Er sog sie in sich ein, der alte Bock. Ihr Körper war erstaunlicherweise immer noch menschlich, auffallend weiblich in diesem lächerlich posthumen Alter. Wenn sie herüberkäme und ihm eine Brust ins Gesicht drückte, würde er wie ein Kind daran saugen. Statt dessen kleidete sie sich an. Sie fühlte, wie sich ihre Stimmung von Grund auf hob. Der beste Moment in der ganzen Sinuswelle, wie die Wintersonnenwende für die Menschen der Steinzeit, wenn man weiß, daß die Sonne eines Tages wiederkommen wird.
    »Das ist gut«, sagte Michel. »Wir brauchen dich wieder als Anführerin, Maya. Siehst du, du besitzt die Autorität. Die natürliche Autorität. Und es ist gut, das Werk zu verbreiten und für dich, dich auf Hellas zu konzentrieren. Ein sehr guter Plan. Aber du mußt wissen - dazu gehört mehr als Ärger ...«
    Sie zog sich einen Sweater über den Kopf (ihr nackter Skalp fühlte sich merkwürdig kahl und roh an) und schaute ihn dann überrascht an. Er hob mahnend einen Finger. »Dein Ärger wird helfen, kann aber nicht alles sein. Frank war nichts als Ärger. Und du siehst, wohin ihn das geführt hat. Du mußt nicht nur gegen das kämpfen, was du haßt, sondern auch das, was du liebst. Verstehst du? Und darum mußt du herausfinden, was es ist, das du liebst. Du mußt dich daran erinnern oder es erschaffen.«
    »Ja, ja«, sagte sie, plötzlich verwirrt. »Ich liebe dich. Aber halt jetzt den Mund!« Sie hob gebieterisch das Kinn. »Laß uns essen gehen!«

D er Zug von Sabishii zur Strecke Burroughs-Hellas war nur vier Wagen lang, eine kleine Lokomotive und drei Passagierwaggons, nicht mehr als halb voll. Maya ging durch bis zu den letzten Sitzen im Schlußwagen. Die Leute schauten sie an, aber nur kurz. Niemand schien durch ihren Mangel an Haar beunruhigt zu sein. Es gab auf dem Mars ja eine Menge Geierweiber, selbst in diesem Zug, die auch Jumper in Kobalt, Rost oder Hellgrün trugen und ebenso alt und verwittert waren. Das war eine Art Cliche für die alten Marsveteranen, die von Anfang da waren, alles gesehen hatten und bereit waren, einen mit Geschichten über Staubstürme und verklemmte Schleusentüren zu Tränen zu langweilen.
    Nun, es war so schon recht. Es hätte nichts gebracht, wenn die Leute einander anstießen und riefen: Da ist Toitovna! Dennoch konnte sie nicht umhin, sich alt und vergessen zu fühlen. Das war blöde. Sie mußte vergessen werden. Und dabei half Häßlichkeit. Die Welt liebt es, die Häßlichen zu vergessen.
    Sie plumpste in ihren Sitz und starrte nach vorn. Offenbar hatte Sabishii Besuch von einem Kontingent japanischer Touristen gehabt, die sich alle in gegenüberliegenden Sitzen vorn im Wagen zusammendrängten, schwatzten und mit ihren Videobrillen umschauten. Ohne Zweifel zeichneten sie jede Minute ihres Lebens auf, Aufzeichnungen, die niemand je anschauen würde.
    Der Zug glitt sanft vorwärts, und sie waren unterwegs. Sabishii war immer noch eine kleine Kuppelstadt im Gebirge; aber das hüglige Land zwischen der Stadt und der Hauptpiste war gefleckt mit behauenen spitzen Steinen und kleinen, in die Klippen gebohrten Schutzräumen. Alle nach Norden gewandten Hänge waren mit dem Schnee der ersten Herbststürme bedeckt, und das Sonnenlicht schoß in blendenden Strahlen von glatten Spiegeln aus Eis, wenn sie an gefrorenen Teichen vorbeischwebten. Die niedrigen dunklen Büsche stammten alle von Vorfahren in Hokkaido, und die Vegetation gab dem Land eine dornenartige schwarzgrüne Struktur. Es war eine Ansammlung von Bonsaigärten, deren jeder eine durch ein rauhes Meer von zerbrochenem Gestein isolierte Insel war.
    Die japanischen Touristen fanden diese Landschaft natürlich entzückend. Obwohl sie möglicherweise von Burroughs kamen als neue Einwanderer, die die erste japanische Landungsstelle besuchten, als ob sie eine Reise von Tokyo nach Kyoto machten. Oder vielleicht waren sie Eingeborene und hatten Japan nie gesehen. Das würde sie merken, wenn sie sie

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