Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars
immer mal vor, daß sie der Zufall zusammenführte.
Sie setzte sich an den Fensterplatz und fragte sich, was Spencer wohl machte. Zuletzt hatte sie gehört, daß er und Sax im Mohole von Vishniac ein technisches Team gebildet hätten zum Zwecke einer Waffenforschung, über die sie zu niemandem sprachen. So ähnlich hatte Vlad gesagt. So gehörte er also zu Saxens verrücktem gesetzwidrigem Zerstörungsteam, wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Das sah ihm eigentlich nicht ähnlich, und sie fragte sich, ob er der mäßigende Einfluß gewesen wäre, der neuerdings in den Aktivitäten von Sax zu erkennen war. War Hellas sein Ziel, oder kehrte er zu den Sanktuarien im Süden zurück? Nun, das würde sie bestenfalls in Hellas herausbringen, da es Vorschrift war, einander zu ignorieren, sofern man nicht unter vier Augen war.
Also ignorierte sie Spencer - falls er es war, und auch die Passagiere im Wagen. Der Sitz neben ihr blieb frei. Ihr gegenüber waren zwei Männer um die Fünfzig in Anzügen, dem Aussehen nach Einwanderer, die offenbar zusammen mit zwei weiteren ihnen ähnlichen reisten, die vor ihr saßen. Als der Zug aus der Bahnhofskuppel herausfuhr, diskutierten sie über irgendein Spiel, das sie zusammen gemacht hatten: »Er hat über eine Meile geschlagen und hat Glück gehabt, daß er es wiedergefunden hat.« Offenbar Golf. Amerikaner oder so etwas. Metanationale Beamte, die unterwegs waren, um in Hellas etwas zu beaufsichtigen. Sie sagten nicht, was.
Maya nahm ihr Lektionar und setzte die Kopfhörer auf. Sie rief Novy Pravda ab und sah sich die kleinen Bilder von Moskau an. Es war mühsam, sich auf die Stimmen zu konzentrieren, und es machte sie schläfrig. Der Zug eilte nach Süden. Der Reporter klagte über den zunehmenden Konflikt zwischen Armscor und Subarashii über den sibirischen Entwicklungsplan. Das war ein Fall für Krokodilstränen, da die russische Regierung seit Jahren gehofft hatte, die beiden Riesen gegeneinander ausspielen und eine Versteigerungsaktion für die sibirischen Ölfelder in die Wege leiten zu können, anstatt von einer vereinigten metanationalen Front alle Bedingungen diktiert zu bekommen. Es war wirklich erstaunlich, daß diese zwei Metanationalen sich zu so etwas herabgelassen hatten. Maya erwartete nicht, daß das andauern würde. Es lag aber im Interesse der Metanationalen, zusammenzuhalten und sich zu vergewissern, daß es immer darauf ankam, die verfügbaren Ressourcen aufzuteilen und nie um sie zu kämpfen. Falls sie sich zankten, könnte das empfindliche Gleichgewicht der Kräfte bei ihnen zusammenbrechen - eine Möglichkeit, deren sie sich gewiß bewußt waren.
Sie lehnte schläfrig den Kopf zurück und schaute aus dem Fenster auf das vorbeiziehende Land. Sie glitten jetzt in die Senke Iapygia hinab und hatten einen weiten Blick nach Südwesten. Es sah aus wie die Grenze zwischen Taiga und Tundra in Sibirien, so, wie sie in dem Nachrichtenprogramm dargestellt wurde, das sie gerade angesehen hatte. Ein großes, vom Frost zerrissenes und wirres, geneigtes Gelände, ganz von Schnee und Eis verkrustet, wobei der kahle Fels von Flechten und amorphen Haufen olivgrüner und khakifarbener Moose bedeckt war und Korallenkakteen und Zwergbäume jedes flache Loch füllten. In einem flachen Tal verteilte Pingos wirkten wie Akne, die mit einer schmutzigen Salbe bestrichen war. Maya schlummerte einige Zeit.
Das Bild des dreiundzwanzigjährigen Frank riß sie aus dem Schlaf. Sie dachte träge über das nach, was sie gelesen hatte, und versuchte, es sich zusammenzureimen. Der Vater: Was hatte ihn veranlaßt, dreimal zu den Anonymen Alkoholikern zu gehen und sie zweimal (oder dreimal?) wieder zu verlassen? Das klang nicht gut. Und dann, wie als Reaktion darauf, das arbeitswütige Verhalten, das genau so war, wie der Frank, den sie gekannt hatte, auch wenn die Tätigkeit nicht frankgemäß idealistisch war. Soziale Gerechtigkeit - daran hatte der Frank, den sie kannte, nicht geglaubt. Er war ein politischer Pessimist gewesen, ständig in einem Nachhutgefecht bestrebt zu verhindern, daß aus dem Schlimmen das Schlimmste würde. Eine Art von Schadensbegrenzung und, sofern man manchen Glauben schenken konnte, persönlicher Steigerung. Ohne Zweifel richtig. Obwohl Maya fühlte, daß er immer mehr Macht angestrebt hatte, um mehr Schadensbegrenzung ausüben zu können. Diese beiden Motive konnte niemand trennen. Sie waren verflochten wie das Moos und der Stein draußen in der Senke. Die Macht
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