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Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars

Titel: Mars-Trilogie 2 - Grüner Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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hatte viele Gesichter.
    Wenn Frank nur nicht John getötet hätte... Sie starrte auf das Lektionar, stellte es an und tastete Johns Namen ein. Die Bibliographie war endlos. Sie sah nach; 5146 Eintragungen. Und das war eine Auswahl! Frank hatte höchstens einige hundert gehabt. Sie schaltete auf Index und rief auf: »Tod durch ...«
    Dutzende Eintragungen, Hunderte! Kalt und dennoch schwitzend sah Maya rasch die Liste durch. Die Berner Verbindung, die Muslimbruderschaft, die MarsErsten, UNOMA, Frank, sie, Helmut Bronski. Sax, Samantha. Allein am Titel konnte sie erkennen, daß alle Theorien von Täterschaft bei seinem Tode vertreten waren. Natürlich. Konspirationstheorien waren immer populär. Die Leute wünschten, daß solche Katastrophen etwas mehr als individuelle Verrücktheit auf sich hätten. Darum ging die Jagd los.
    Aus Widerwillen gegen die Vollständigkeit der Liste wollte sie die Akte fast abschalten. Aber - wovor hatte sie eigentlich Angst? Sie öffnete eine der vielen Bibliographien, und auf dem Schirm erschien ein Bild von John. Ein Nachwehen ihres alten Schmerzes durchfuhr sie und hinterließ eine blasse emotionslose Verzweiflung. Sie ging zum Schlußkapitel.
     
    Der Nicosia-Krawall war eine frühe Manifestation der Spannungen, die 2061 explodierten. Es gab schon eine große Anzahl arabischer Techniker, die in minimalen Behausungen lebten und in unmittelbarer Nähe zu ethnischen Gruppen, gegen die sie historischen Groll hegten, und auch gegen Verwaltungsbeamte, deren bessere Wohnverhältnisse und Privilegien beim Reisen und Ausgehen ins Auge stachen. Eine flüchtige Mischung aus verschiedenen Gruppen kam zu ihrer Gründungsfeier nach Nicosia herunter, und die Stadt war einige Tage extrem überfüllt.
     
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    Die Gewalttätigkeit ist nie befriedigend erklärt worden. Jensens Theorie, wonach der innerarabische Konflikt, angestachelt durch den libanesischen Befreiungskrieg gegen Syrien, den Krawall von Nicosia ausgelöst haben soll, ist nicht ausreichend. Es wurden auch Angriffe auf die Schweizer bezeugt sowie ein hohes Maß an willkürlicher Gewalttätigkeit, die alle unmöglich allein durch den arabischen Konflikt zu erklären sind.
    Die offiziellen eidlichen Zeugenaussagen von Bewohnern Nicosias in jener Nacht lassen die Auslösung des Konflikts im dunkeln. Einige Berichte lassen die Anwesenheit eines agent provocateur vermuten, der nie identifiziert wurde.
     
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    Um Mitternacht, als der Zeitrutsch begann, war Saxifrage Russell in einem Cafe in der Stadtmitte, Samantha Hoyle war auf einer Tour an der Stadtmauer, und Frank Chalmers und Maya Toitovna hatten sich im Westpark getroffen, wo einige Stunden zuvor die Reden gehalten worden waren. In der Medina war es schon zu Kämpfen gekommen. John Boone ging über den Zentralboulevard, um die Störung zu untersuchen, desgleichen Sax Russell aus einer anderen Richtung. Bei etwa zehn Minuten im Zeitrutsch wurde Boone von einer Gruppe aus drei bis sechs jungen Männern bedrängt, die von einigen als >Araber< identifiziert wurden. Boone wurde niedergeschlagen und in die Medina gezerrt, ehe irgendwelche Augenzeugen reagieren konnten; und eine improvisierte Suche ergab kein Anzeichen von ihm. Erst um 0.27 wurde er von einer größeren Suchgruppe in der Farm der Stadt gefunden und von dort in das nächste Krankenhaus gebracht auf dem Zypressenboulevard. Russell, Chalmers und Toitovna halfen, ihn zu tragen ...
    Eine neue Störung im Wagen brachte Maya aus dem Text. Ihre Haut war feucht und kühl, und sie zitterte leicht. Manche Erinnerungen verschwanden nie, sosehr man sie auch unterdrückte. Wider Willen erinnerte Maya sich genau an das Glas auf der Straße, eine Gestalt im Gras, die auf dem Rücken lag, und Franks verwirrte Miene, sowie das ganz andere Erstaunen bei John.
    Plötzlich waren vorn im Wagen Beamte. Sie standen im Mittelgang und bewegten sich langsam voran. Sie prüften Ausweise und Reisedokumente. Andere waren am hinteren Ende das Wagens postiert.
    Maya stellte ihr Lesegerät ab. Sie beobachtete die drei Polizisten und fühlte, wie ihr Puls sich leicht beschleunigte. Das war neu. Sie hatte es noch nie erlebt, und die anderen im Wagen anscheinend auch nicht. Es herrschte allgemeines Schweigen. Jeder im Wagen hätte inkorrekte Papiere haben können. Dieser Umstand machte ihr Schweigen irgendwie solidarisch. Aller Augen richteten sich auf die Polizei. Niemand schaute umher, um zu sehen, wer vielleicht blaß wurde.
    Die drei

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