Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Revolution hatte ihn ohne eine Aufgabe zurückgelassen. Sein ganzes Leben war er über den Mars gewandert und hatte zu den Leuten über einen freien Mars gesprochen, über friedliches Bewohnen statt Kolonisierung, darüber, im Land einheimisch bis zu den Wurzeln zu werden. Diese Aufgabe war jetzt beendet. Das Land gehörte ihnen, um nach Wunsch darin zu leben. Aber er fand in dieser neuen Situation keine Rolle für sich. Er mußte sehr differenziert darüber nachdenken, wie er in dieser neuen Welt weitermachen sollte, nicht länger als Stimme des Kollektivs, sondern als ein Individuum in seinem eigenen Privatleben.
Er hatte herausgefunden, daß er nicht weiter im Kollektiv arbeiten wollte. Es war gut und notwendig, daß manche Leute sich dazu berufen fühlten, aber er gehörte nicht zu ihnen. Er konnte in der Tat nicht an Cairo denken ohne einen Stich von Ärger über Jackie zu verspüren, manchmal war es auch einfacher Schmerz wegen des Verlustes dieser öffentlichen Welt, dieses ganzen Lebensstils. Es war hart, ein Revolutionärsdasein aufzugeben. Darauf schien nichts zu folgen, weder logisch noch emotional. Aber es mußte etwas getan werden. Dieses Leben war vergangen. Inmitten eines langsamen Sinkfluges mit Querneigung im Luftgleiter verstand er plötzlich Maya und ihr besessenes Gespräch über Inkarnationen. Er war jetzt 27 m-Jahre alt, er hatte den Mars kreuz und quer bereist, er war auf der Erde gewesen und in eine freie Welt zurückgekehrt. Zeit für die nächste Seelenwanderung.
So flog er nun durch die ungeheuren Weiten von Candor und suchte nach einem Bild seiner selbst. Die zerrissenen, geschichteten, vernarbten Canyonwände waren so viele erstaunliche mineralische Spiegel. Und ihm wurde vor Augen geführt, daß er eine winzige Kreatur war, kleiner als eine Mücke in einer Kathedrale. Er flog herum und studierte jedes große Palimpsest von Facetten; ihm offenbarten sich zwei sehr starke innere Impulse, getrennt und sich gegenseitig ausschließend, aber dennoch verflochten wie das Grün und das Weiß. Einerseits wollte er ein Wanderer bleiben, über die Welt fliegen, gehen und segeln, für immer ein Nomade, der unablässig in Bewegung blieb, bis er den Mars besser kannte als jeder andere. O ja! Das war eine vertraute Euphorie. Er hatte das sein ganzes Leben lang getan. Es wäre die Form seines früheren Lebens jedoch ohne dessen Inhalt. Und die Einsamkeit dieses Lebens war ihm vertraut, die Wurzellosigkeit, die ihn so abgesondert machte und ihm diesen Blick durch das falsche Ende des Teleskops bescherte. Er hatte keine Heimat. Und so wünschte er sich jetzt diese private Anlaufstelle ebenso sehr wie die Freiheit oder noch mehr. Eine Heimat. Er wollte sich in einem vollen menschlichen Leben niederlassen, einen Ort suchen und dort bleiben, ihn vollständig kennenlernen, in allen Jahreszeiten, seine Nahrung ziehen, sein Haus und seine Geräte bauen und Teil einer Gemeinschaft von Freunden werden.
Diese Wünsche existierten, stark und nebeneinander - oder genauer, in einer subtilen raschen Oszillation, die seine Emotionen reizte und ihn schlaf- und ruhelos machte. Er sah keinen Weg, sie miteinander zu vereinbaren. Sie schlössen einander aus. Niemand, mit dem er redete, hatte auch nur einen nützlichen Vorschlag, wie diese Schwierigkeit zu lösen wäre. Cojote hatte Bedenken dagegen, Wurzeln zu schlagen. Aber auch er war Nomade und konnte es nicht wissen. Art hielt das Wanderleben für unmöglich. Aber ihm gefielen die Plätze, die er gefunden hatte.
Nirgals nichtpolitische Ausbildung war Ingenieurwesen im Mesokosmos; aber er fand, daß ihm das bei seinen Überlegungen wenig half. In größeren Höhen pflegte man immer noch in Kuppeln zu leben, und mesokosmische Ingenieurkunst wurde benötigt. Aber das wurde mehr und mehr verwissenschaftlicht und der künstlerische Aspekt würde mit zunehmender Erfahrung in der Lösung der Probleme zur bloßen Routine verkommen. Außerdem - strebte er nach einem Leben in der Kuppel, wenn so viele von den tiefer gelegenen Regionen des Planeten zu Land wurde, auf dem man frei gehen konnte?
Nein. Er wollte in der freien Luft leben. Ein Stück Land finden, eigenen Boden haben, seine Pflanzen und Tiere, sein Wetter und seinen Himmel und alles sonst - das wünschte er sich. Ein Teil von ihm, einen Teil der Zeit.
Inzwischen wurde ihm klar, daß - was er auch wählen würde - Candor Chasma nicht der Ort für die Art von Siedlung war, die er sich vorstellte. Seine ungeheuren
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