Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
letzten Bemerkung und zeigte grinsend auf ihn. »Er sollte imstande sein, das zu bestätigen oder zu verneinen.«
Nirgal nickte überrascht und sagte: »Ich habe sie auf der Erde nicht gesehen. Es gab bloß Gerüchte.«
»Also genau wie hier.«
Nirgal zuckte die Achseln.
Die junge Frau errötete, weil sie nun wußte, daß er Nirgal war, und bestand darauf, Hiroko persönlich getroffen zu haben. Nirgal beobachtete sie genau. Das war etwas anderes. Bis jetzt hatte niemand ihm gegenüber eine so direkte Behauptung aufgestellt (außer in der Schweiz). Sie sah verwirrt und abwehrend aus, blieb aber fest. »Ich sage, daß ich mit ihr gesprochen habe!«
Warum derartig lügen? Und wie war es möglich, daß jemand deswegen zum Narren gehalten würde? Schauspielerei? Aber warum?
Nirgals Puls hatte sich gegen seinen Willen beschleunigt, und ihm war wärmer geworden. Tatsächlich war es möglich, daß Hiroko so etwas tun würde, sich verstecken und gleichzeitig nicht verstecken. Irgendwo leben, ohne sich um Kontakt mit der zurückgelassenen Familie zu kümmern. Es gab dafür kein deutliches Motiv, es wäre seltsam und durchaus unmenschlich, lag aber völlig im Bereich von Hirokos Charakter. Seine Mutter war eine verrückte Person, das war ihm vor Jahren klar geworden, eine Charismatikerin, die mühelos Menschen lenkte, aber wahnsinnig war. Zu fast allem fähig.
Falls sie lebte.
Er wollte nicht wieder hoffen. Er wollte nicht auf die Jagd nach ihr gehen; nur aufgrund der bloßen Erwähnung ihres Namens! Aber er beobachtete das Gesicht dieses Mädchens, als könne er die Wahrheit daraus lesen, als ob er sogar das Bild Hirokos noch dort in ihren Pupillen sehen könnte! Andere stellten die Fragen, die er gestellt hätte. Darum konnte er still sitzen bleiben und zuhören. Er mußte sie nicht allzu selbstsicher machen. Sie erzählte langsam die ganze Geschichte. Sie und einige Freundinnen waren im Uhrzeigersinn um Elysium herum geflogen; und als sie für die Nacht auf der neuen Halbinsel, die die Phlegra Montes gebildet hatten, haltmachten, waren sie zum Eis-Ufer des Nordmeers hinuntergegangen, wo sie eine neue Siedlung entdeckt hatten. Und dort waren sie inmitten der Bauleute auf Hiroko gestoßen. Einige der beim Bau Beschäftigten waren ihre alten Gefährten Gene, Rya und Iwao und der Rest der Ersten Hundert, die Hiroko schon seit den Tagen der verlorenen Kolonie gefolgt waren. Die Fliegergruppe war erstaunt gewesen, aber die verschollen geglaubten Kolonisten hatten sich über deren Erstaunen geradezu verblüfft gezeigt. »Niemand versteckt sich mehr«, hatte Hiroko der jungen Frau gesagt, nachdem sie ihr Komplimente für ihren Flieger gemacht hatte. »Wir verbringen die meiste unserer Zeit in der Nähe von Dorsa Brevia, sind aber jetzt schon seit Monaten hier oben.«
Und so war das nun. Die Frau schien vollkommen ehrlich zu sein; es gab keinen Grund anzunehmen, daß sie log oder an Halluzinationen litt.
Nirgal wollte nicht darüber nachdenken. Aber er hatte sowieso daran gedacht, Shining Mesa zu verlassen und sich an anderen Orten umzusehen. Also konnte er.
Und - nun - er mußte mindestens einen Blick darauf werfen. Shigata ga nai!
Am nächsten Tage wirkte das Gespräch weniger verpflichtend. Nirgal wußte nicht, was er denken sollte. Er rief Sax über den Handgelenkapparat an und berichtete ihm, was er gehört hatte. »Sax, ist es möglich? Kann es überhaupt möglich sein?«
Ein seltsamer Ausdruck zog über Sax' Gesicht. Er sagte: »Es ist möglich. Ja, natürlich. Als du krank und bewußtlos warst, habe ich dir erzählt, daß sie... « - er suchte seine Worte wie so oft mit einem Blinzeln der Konzentration -, »daß ich sie selbst gesehen habe. In jenem Sturm, als ich draußen festsaß. Sie hat mich zu meinem Wagen gebracht.«
Nirgal starrte auf das kleine flimmernde Bild. »Daran erinnere ich mich nicht.«
»Oh, ich bin nicht überrascht.«
»Also denkst du - daß sie von Sabishii entkommen ist?«
»Ja.«
»Aber wie wahrscheinlich ist das?«
»Ich kenne die Wahrscheinlichkeit nicht. Die ist schwierig zu beurteilen.«
»Aber hätte sie sich davonschleichen können?«
»Der Hügel des Sabishii-Moholes ist ein Irrgarten.«
»Du denkst also, sie ist entkommen?«
Sax zögerte. »Ich habe sie gesehen. Sie hat mein Handgelenk gepackt. Ich muß es glauben.« Plötzlich verzog er das Gesicht. »Ja, sie ist da draußen! Sie ist draußen! Ich habe keinen Zweifel! Keinen Zweifel! Unzweifelhaft erwartet sie, daß
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