Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
würden auch einige Schneekatzen, die durch die Moore streiften, erscheinen. Füchse. Das Becken war hoch gelegen; aber der Druck, auf den sie in dieser Höhe hofften, betrug 500 Millibar, mit 40 Prozent Sauerstoff. Sie waren dem schon ziemlich nahe gekommen. Die Verhältnisse waren ungefähr wie im Himalaya. Vermutlich würde die gesamte Flora und Fauna großer Höhen auf der Erde hier leben können. Und bei so vielen Ökopoeten, die kleine Flecken des Hochlandes bewirtschafteten, würde das Problem zumeist nur eine Sache der Vorbereitung des Bodens sein. Man mußte nur das gewünschte Ökosystem einführen und dann unterstützen; und das alles unter Beachtung dessen, was mit dem Wind eintraf oder hereinflog. Diese Zugänge konnten natürlich problematisch sein; und es gab viel Gerede auf den Armbändern über Invasionsbiologie und integriertes Mikroklimamanagement. Ein großer Teil der laufenden Arbeit an der Ökopoesis war die Herausarbeitung von Verbindungen der lokalen Besiedlung mit der umliegenden Region.
Nirgal interessierte sich im nächsten Frühling für diese Frage der Ausbreitung noch wesentlich stärker, als im Ersten November die Schneeschmelze einsetzte und aus dem Matsch auf den flachen Terrassen an der Nordseite des Beckens Schößlinge der Schnee-Alaunwurzel herausschauten. Er hatte sie nicht gepflanzt und war sich nicht einmal in seiner Identifikation sicher, bis sein Nachbar Yoshi nach einer Woche vorbeikam und es bestätigte: Heuchera nivealis. Vom Wind hergeweht, sagte Yoshi. Im Escalante-Krater im Norden gab es eine Menge davon. Dazwischen war nicht viel. In diesem Fall war es Springverbreitung.
Ausbreitung durch Springen, Streuen und Fließen - alle drei Arten kamen auf dem Mars vor. Moose und Bakterien verbeiteten sich durch Streuung, hydrophile Pflanzen durch die Flüsse längs der Gletscher, Flechten und etliche andere Pflanzen erreichten ihre Ausbreitung, indem sie ihre Springsamen den starken Winden überließen. Menschliche Ausbreitung zeigte alle drei Muster, wie Yoshi bemerkte, als sie über das Becken gingen und über diesen Begriff sprachen. Sie verstreuten sich über Europa, Asien und Afrika, sie strömten durch die amerikanischen Kontinente und längs der australischen Küsten, sie sprangen hinaus zu den pazifischen Inseln (oder zum Mars). Man konnte beobachten, daß alle drei Methoden gewöhnlich von hoch anpassungsfähigen Spezies benutzt wurden. Das Tyrrhena-Massiv ragte in den Wind. Es fing die westlichen und auch die sommerlichen Monsune ab, so daß beide Seiten Niederschläge bekamen. Nirgends mehr als zwanzig Zentimeter im Jahr; aber in der südlichen Hemisphäre des Mars bedeutete das bereits eine regenreiche Insel. Auf diese Weise auch eine Falle für Dispersion und so sehr zugänglich für Invasionen.
Da lag es also - hohes, unfruchtbares, steiniges Land, mit Schnee bestäubt, wo immer Schatten vorherrschte, so daß die Schatten weiß zu sein pflegten. Kein Zeichen von Leben, mit Ausnahme in den Becken, wo die Ökopoeten ihren kleinen Kollektionen nachhalfen. Wolken erschienen im Winter von Westen und im Sommer von Osten. Die Südhemisphäre hatte wegen des Zyklus von Sonnennähe und Sonnenferne verstärkte Jahreszeiten, so daß sie wirklich eine Rolle spielten. Auf Tyrrhena waren die Winter hart.
Nirgal wanderte, nach dem die Stürme abgeflaut waren, durch das Becken und sah nach, was hereingeblasen worden war. Gewöhnlich war es eine Ladung eisigen Staubes; aber einmal fand er ein ungepflanztes Büschel Jakobsleitern (Polemonium caeruleum) in einer Felsspalte. Er sah in den Botanikdateien nach, wie die Pflanze mit den schon vorhandenen wechselwirken könnte. Zehn Prozent der eingeführten Arten überlebten, und zehn Prozent davon wurden dann Schädlinge. Das war laut Yoshi die erste Regel der Disziplin. »Zehn bedeutet natürlich fünf bis zwanzig.«
Einmal jätete Nirgal ein im Frühling angekommenes gewöhnliches Straßengras aus, weil er fürchtete, es würde alles überwuchern. Genau wie die Tundradisteln. Ein andermal fiel eine schwere Staubfracht bei Herbstwind herunter. Diese Staubstürme waren klein im Vergleich mit den alten globalen Südsommerstürmen; aber gelegentlich riß ein scharfer Wind irgendwo den Wüstenboden auf, so daß der Staub darunter wegflog. An solchen Tagen wurde die Atmosphäre rasch dichter, durchschnittlich um fünfzehn Millibar jährlich. Jedes Jahr hatten die Winde mehr Kraft. Daher bestand Gefahr, daß dickere Deckschichten
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