Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
blickte auf die große Überschwemmung der Erde zurück und erklärte, daß sie die Ursache der neuen Renaissance gewesen sei. Ein erzwungener Sprung auf eine höhere Ebene. Eine andere Schule von Denkern zog die sogenannte Technische Deutung vor. Die Menschheit hatte wieder einen Übergang zu neuer technischer Kompetenz durchgemacht, der, wie sie behaupteten, etwa jedes halbe Jahrhundert seit der ersten industriellen Revolution stattfände. Die Sintflutgruppe neigte dazu, den Ausdruck Diaspora zu verwenden, die Techniker bevorzugten Accelerando.
Dann schrieb und veröffentlichte die Marshistorikerin Charlotte Dorsa Brevia eine gewichtige vielbändige Metageschichte, wie sie sie nannte, die behauptete, daß die große Flut tatsächlich der Auslösepunkt gewesen sei, der zu technischen Fortschritten geführt und den Mechanismus zu neuen Möglichkeiten in Gang gesetzt hätte; aber der spezifische Charakter der neuen Renaissance sei durch etwas viel Elementareres verursacht werden, nämlich den Übergang von einem globalen sozio-ökonomischen System zum nächsten. Sie beschrieb, was sie einen >residual-emergenten Komplex überlappender Paradigmem nannte, wonach jede große sozio-ökonomische Ära zu etwa gleichen Teilen aus benachbarten Systemen ihrer unmittelbaren Vergangenheit und Zukunft zusammengesetzt wäre. Die Perioden direkt davor und danach waren indessen nicht als einzige beteiligt. Sie bildeten den Großteil eines Systems und enthielten dessen widersprüchlichste Komponenten; aber zusätzliche wichtige Merkmale kamen von besonders ausdauernden Aspekten archaischer Systeme sowie auch schwachen zögernden Vorahnungen von Entwicklungen, die erst viel später aufblühen würden.
Darum bestand, um ein Beispiel anzuführen, Feudalismus für Charlotte aus den Resten des überkommenen Systems absoluter religiöser Monarchie und dem aufkommenden System des Kapitalismus - mit wichtigen Nachklängen noch archaischeren Kastenwesens und leichten Andeutungen eines späteren individualistischen Humanismus. Der Zusammenstoß dieser Kräfte verlagerte sich im Laufe der Zeit, bis die Renaissance des sechzehnten Jahrhunderts das Zeitalter des Kapitalismus einleitete. Danach bestand der Kapitalismus aus widersprüchlichen Elementen eines absterbenden Feudalismus und einer emporkommenden künftigen Ordnung, die nur in ihrer eigenen Zeit definiert werden konnte, die Charlotte Demokratie nannte. Und jetzt, so behauptete Charlotte, befand man sich - zumindest auf dem Mars - im demokratischen Zeitalter selbst. Darum war Kapitalismus wie alle anderen Epochen die Kombination zweier scharf gegensätzlicher Systeme gewesen. Die Unverträglichkeit seiner wesentlichen Bestandteile wurde durch die unglückliche Erfahrung mit dem kritischen Schatten des Kapitalismus, dem Sozialismus, unterstrichen, der über wahre Demokratie theoretisiert und nach ihr gerufen hatte. Aber im Versuch ihrer Realisierung hatte er die in jener Zeit verfügbaren Methoden benutzt, nämlich die gleichen feudalen Methoden, wie sie im Kapitalismus vorherrschten. Darum hatten sich beide Versionen der Mischung am Ende als ebenso destruktiv und ungerecht erwiesen wie ihr gemeinsamer Vorfahr. Die feudalen Hierarchien im Kapitalismus hatten sich in den lebendigen sozialistischen Experimenten gespiegelt. Und so war die ganze Ära ein scharfer chaotischer Kampf geblieben, der etliche unterschiedliche Versionen des dynamischen Kampfes zwischen Feudalismus und Demokratie zum Ausdruck brachte.
Aber auf dem Mars war endlich dem kapitalistischen Zeitalter das demokratische Zeitalter entsprungen. Und auch dieses Zeitalter war gemäß der Logik von Charlottes Paradigma zwangsweise ein Aufeinandertreffen von Altem und Neuem, von den strittigen konkurrierenden Resten des kapitalistischen Systems und einigen sich abzeichnenden Aspekten einer Ordnung jenseits von Demokratie, die man noch nicht voll beschreiben konnte, da es sie bisher nie gegeben hatte, die aber Charlotte >Harmonie< oder Allgemeinen Guten Willem zu nennen wagte. Diesen spekulativen Sprung machte sie teils durch genaue Untersuchung der Unterschiede zwischen kooperativer Ökonomie und Kapitalismus und teils durch Annahme einer noch weiteren metahistorischen Perspektive und Identifikation. Sie legte eine breitere allgemeine Entwicklung in der Geschichte, die Kommentatoren ihre >Große SchaukeUnannten, eine Bewegung von den tiefen Hierarchien unserer urtümlichen Vorfahren auf der Savanne zu der sehr langsamen,
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