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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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ein Überbleibsel der hypermalthusianischen Periode war. Jetzt konnten sie allmählich den fundamentalen Wechsel in den Systemen erkennen, in diesem zweiundzwanzigsten Jahrhundert, das sie im Zuge waren zu verwirklichen. Sie hatten das Gleichgewicht verlagert, um auch in den neuen Verhältnissen zu überleben. In der kooperativen demokratischen Ökonomie sah jeder, daß viel auf dem Spiel stand. Und ein jeder profitierte von dem frenetischen Ausbruch koordinierter Konstruktion, der überall im Sonnensystem um sich griff.
    Die blühende Zivilisation schloß nicht bloß das Sonnensystem jenseits des Mars ein, sondern auch die inneren Planeten. In dem üppigen Wachstum von Energie und Vertrauen arbeitete sich die Menschheit in Areale vor, die zuvor als unbewohnbar gegolten hatten. Plötzlich zog auch die Venus eine Schar neuer Terraformer an, der Geste von Sax Russellfolgend, die die großen Spiegel des Mars umgesetzt und eine grandiose Vision für die letztliche Besiedelung jenes Planeten ausgearbeitet hatte, der in so vieler Hinsicht die Schwester der Erde war.
    Selbst der Merkur hatte seine Siedlung. Obwohl man zugeben mußte, daß er für die meisten Belange der Sonne zu nahe war. Sein Tag währte 59 Erdentage, sein Jahr 88 Erdentage, so daß drei seiner Tage gleich zwei Jahren waren. Das war kein Zufall, sondern ein Knoten auf dem Weg zur Gezeitenkopplung, die beim Mond um die Erde herrschte. Die Kombination dieser zwei Perioden ließ den Merkur sehr langsam durch seinen Sonnentag rollen, während dessen Hemisphäre der hellen Seite viel zu heiß wurde und auf der Nachtseite extrem abkühlte. Darum war die einzige derzeit auf dem Planeten befindliche Stadt eine Art enormer Eisenbahnzug, der auf Gleisen um den Planetenfuhr, die sich auf 45° nördlicher Breite befanden. Diese Schienen waren aus einer metallkeramischen Legierung hergestellt, die den ersten der vielen alchemistischen Tricks der Merkurphysiker darstellte und der Hitze von 800 K auf der hellen Mittagsseite widerstand. Die Stadt selbst hieß Terminator undfuhr über diese Schienen mit ungefähr drei Kilometern in der Stunde, wodurch sie innerhalb des Terminators blieb, der Zone des der Frühdämmerung vorausgehenden Schattens, der auf den meisten Stellen des Gelände etwa zwanzig Kilometer breit war. Eine leichte Ausdehnung der Gleise, wenn sie der Morgensonne ausgesetzt waren, führte die Stadt täglich nach Westen, da sie auf eng sitzenden Buchsen ruhte, die so gestaltet waren, daß sie die Stadt von der Ausdehnung fort bewegten. Diese Bewegung war so unerbittlich, daß Widerstand gegen sie an einer anderen Stelle der Buchsen große Mengen elektrischer Energie erzeugte, wie auch die von der Stadt hinterhergeschleppten Sonnenkollektoren, die ganz oben auf der hohen Dämmerungswand saßen und die ersten scharfen Strahlen des Sonnenlichts einfingen. Selbst in einer Zivilisation, in der Energie billig war, war Merkur erstaunlich gesegnet. Und so verband er sich mit den weiter draußen befindlichen Welten und wurde zu einer ihrer hellsten. Und hundert neue sich bewegende Welten wurden jedes Jahr eröffnet. Rollende Städte, kleine Stadtstaaten, jeder mit seiner eigenen Verfassung, einer bunten Mischung aus Siedlern, Landschaft und Lebensart.
    Und dennoch lag, bei allem aufblühenden menschlichen Bemühen und Vertrauen in das Accelerando, ein Gefühl von Spannung, von Gefahr in der Luft. Denn trotz Bautätigkeit, Emigration, Siedlungen und Wohnraum gab es immer noch achtzehn Milliarden Menschen auf der Erde und achtzehn Millionen auf dem Mars. Und die halbdurchlässige Membran zwischen den zwei Planeten war von dem osmotischen Druck dieses demographischen Ungleichgewichts stark gekrümmt. Die Beziehungen zwischen den beiden waren gespannt, und viele fürchteten, daß ein Stich in die gespannte Membran alles zerreißen würde. In dieser bedrängten Lage bot die Geschichte wenig Trost. Bisher war man mit ihr gut zurechtgekommen; aber noch nie zuvor hatte die Menschheit auf eine kritische Notlage mit langfristiger sinnvoller Vernunft reagiert. Massenhysterien hatte es schon immer gegeben. Und sie waren noch immer dieselben Tiere, die in früheren Jahrhunderten, wenn es für sie um Existenz und Überleben gegangen war, einander rücksichtslos abgeschlachtet hatten. Also konstruierten und diskutierten die Leute, wurden wild, warteten unbehaglich auf erste Anzeichen, daß die ältesten Superalten sterben würden. Sie blickten scheel auf jedes Kind, das sie sahen.

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