Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
Eine gestresste Renaissance, die eilends am Rande eines manischen goldenen Zeitalters lebte. Das Accelerando. Und niemand konnte sagen, was als nächstes geschehen würde.
Z o saß hinten in einem Raum voller Diplomaten und blickte aus dem Fenster in Terminator, während die ovale Stadt majestätisch über die versengten Wüstengebiete des Merkurs rollte. Der halbelliptische Raum unter der hohen klaren Kuppel der Stadt wäre ein schöner Luftraum zum Fliegen gewesen; aber die örtlichen Behörden hatten das als zu gefährlich verboten - eine der vielen faschistischen Vorschriften, die das Leben hier behinderten. Der Staat als Kindermädchen, was Nietzsche so treffend als Sklavenmentalität bezeichnet hatte, lebte hier am Ende des zweiundzwanzigsten Jahrhunderts immer noch prächtig und tauchte praktisch überall wieder auf. Die Hierarchie baute ihre behagliche Struktur in all diesen neuen Provinzsiedlungen wieder auf: Merkur, die Asteroiden, die äußeren Systeme - überall außer auf dem edlen Mars.
Hier auf dem Merkur war es besonders schlimm. Seit Wochen liefen in Terminator Verhandlungen zwischen der Marsdelegation und den Merkuriern; und Zo war ihrer überdrüssig - sowohl der Versammlungen wie der Verhandelnden vom Merkur, einer geheimnistuerischen eingebildeten Gruppe oligarchischer Mullahs, die gleichzeitig hochnäsig und katzbuckelnd waren und die neue Ordnung der Verhältnisse im Sonnensystem noch nicht begriffen hatten. Zo wollte sie und ihre kleine Welt vergessen, nach Hause gehen und fliegen.
Aber andererseits war sie in ihrer Tarnung als untergeordnete Stabsassistentin bisher eine ganz unbedeutende Figur bei den Verhandlungen gewesen. Und jetzt, als die Verhandlungen wegen der sturen Verständnislosigkeit dieser glücklichen Sklaven knirschend zum Stehen kamen, nahm sie einen Adjutanten des höchsten Anführers in Terminator beiseite, den man recht malerisch den Löwen des Merkurs nannte, und bat ihn um eine private Zusammenkunft. Der junge Mann, ein Ex-Terraner, war freundlich. Zo hatte sich seines Interesses schon lange zuvor vergewissert - und sie zogen sich auf eine Terrasse außerhalb der Stadtbüros zurück.
Zo legte dem Mann eine Hand auf den Arm und sagte freundlich: »Wir sind sehr besorgt, daß, wenn Merkur und Mars eine solide Partnerschaft eingehen, Terra sich zwischen uns einkeilen und uns gegeneinander ausspielen könnte. Wir haben die zwei größten der verbleibenden Schwermetallressourcen, die es noch im Sonnensystem gibt; und je mehr sich die Zivilisation ausbreitet, desto wertvoller wird das. Und die Zivilisation breitet sich ganz gewiß weiter aus. Das ist schließlich ja das Accelerando. Metalle sind wertvoll.«
Und der natürliche Bestand an Metallen auf dem Merkur war, obwohl schwer zu gewinnen, wirklich eindrucksvoll. Der Planet war nur etwas größer als der Mond, und dennoch kam seine Schwerkraft fast der des Mars gleich, ein sehr handfestes Anzeichen seines schweren Eisenkerns. Dazu kamen verschiedene noch edlere Metalle, die durch Risse in der von Meteoriten zerfurchten Oberfläche erkennbar waren.
»Ja...?« fragte der junge Mann.
»Wir meinen, wir brauchen eine deutlichere Form von...«
»Kartell?«
»Partnerschaft.«
Der junge Merkurier lächelte. »Wir glauben nicht, daß wir von irgend jemand gegen den Mars ausgespielt werden.«
»Offenbar. Aber wir.«
Einige Zeit, zu Beginn der Kolonisation, hatte es so ausgesehen, als ob es dem Merkur ausgezeichnet ginge. Die Kolonisten besaßen nicht nur Metalle, sondern waren auch der Sonne so nahe, daß sie die Möglichkeit hatten, einen großen Teil solarer Energie anzuzapfen. Allein schon der Widerstand zwischen den Buchsen der Stadt und den sich ausdehnenden Schienen hatte große Mengen davon erzeugt; und noch mehr steckte im Potential der Solarkollektoren. Kollektoren im Orbit schickten inzwischen etwas von diesem Sonnenlicht zu den neuen Kolonien im äußeren Sonnensystem hinaus. Von der ersten Flotte schienenlegender Wagen 2142 an über die rollende Konstruktion von Terminator in den 2150ern und während der ganzen 2160er und 70er hatten die Merkurier sich für reich gehalten.
Aber jetzt war das Jahr 2181, und mit der erfolgreichen weiten Verbreitung verschiedener Arten von Fusionsenergie war Energie spottbillig, und Licht war reichlich vorhanden. Die sogenannten Lampensatelliten und die in der Hochatmosphäre der Gasriesen brennenden Gaslaternen erhellten das ganze äußere System. Infolgedessen waren die reichen
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