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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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unsicheren, schwierigen und nicht determinierten freien Erscheinung einer reinen Harmonie und Gleichheit zugrunde, die dann die allerrichtigste Demokratie kennzeichnen würde. Diese beiden langfristigen zusammenstoßenden Elemente hatte es immer gegeben, wie Charlotte behauptete, und diese hätten die große Schaukel erzeugt, wobei die Balance sich bisher in der ganzen menschlichen Geschichte zwischen ihnen langsam und unregelmäßig verlagerte. Dominante Hierarchien hatten jedem jemals realisierten System zugrunde gelegen; aber zur gleichen Zeit waren demokratische Werte immer eine Hoffnung und ein Ziel gewesen, das im Selbstbewußtsein jedes Primaten zum Ausdruck kam und damit in der Ablehnung von Hierarchien, die ja immer gewaltsam aufgezwungen werden mußten. Und so, wie die Schaukel dieser Metageschichte im Laufe der Jahrhunderte die Balance verlagerte, so hatten die bemerkenswert unvollkommenen Versuche der Errichtung einer Demokratie langsam an Kraft gewonnen. Einst hatte ein sehr kleiner Prozentsatz von Menschen in sklavenhalterischen Gesellschaften wie dem antiken Griechenland oder dem revolutionären Amerika als Gleiche unter Gleichen gegolten; und hatte sich in den späteren kapitalistischen DemokratienA nur wenig erweitert. Jedesmal wenn aber ein System zum nächsten überging, war der Kreis gleicher Bürger mehr oder weniger weiter aufgeblüht, bis jetzt nicht nur alle Menschen (theoretisch beinahe) gleich waren, sondern auch Tiere in Betracht gezogen wurden und sogar Pflanzen, Ökosysteme und die Elemente selbst. Diese Erweiterungen der >Bürgerschaft< betrachtete sie als einen der Vorläufer des sich abzeichnenden Systems, das nach der Demokratie an sich kommen könnte - Charlottes postulierte Periode utopischer >Harmonie<. Diese dunklen Ahnungen waren schwach und Charlottes fernes erhofftes System eine vage Hypyothese. Als Sax Russell die späteren Bände ihres Werkes las und eifrig über den endlosen Beispielen und Argumenten (denn dieser Bericht ist eine strenge Verkürzung ihrer Arbeit, nur eine Zusammenfassung) brütete und aufgeregt ein allgemeines Paradigma zu finden suchte, das ihm die Geschichte endlich verdeutlichen würde, fragte er sich, ob dieses vermeintliche Zeitalter universeller Harmonie und guten Willens jemals ausbrechen würde. Er hielt es für möglich oder sogar wahrscheinlich, daß es eine Art von asymptotischer Kurve in der menschlichen Geschichte geben könnte - vielleicht wie der Ballast eines Körpers -, der vom Zeitalter der Demokratie noch festgehalten, stets aufwärts kämpfend, nie zurückfallend, aber auch nie weit vorankommend, sich weiterbewegte. Aber er war auch der Meinung, daß dieser Zustand an sich schon gut genug wäre, um als eine erfolgreiche Zivilisation zu gelten. Genug war schließlich eine Wohltat.
    Auf jeden Fall war Charlottes Metageschichte sehr einflußreich und lieferte der sich explosiv beschleunigenden Diaspora eine Art Lehrbeispiel, an dem man sich orientieren konnte. Damit wurde sie in die kleine Liste von Historikern aufgenommen, die den Lauf ihrer eigenen Zeit beeinflußt hatten, und in der sich Denker wie Piaton, Plutarch, Bacon, Gibbon, Chamfort, Carlyle, Emerson, Marx und Spengler befanden - und auf dem Mars vor Charlotte Michel Duval. Die Leute begriffen jetzt in der Regel, daß der Kapitalismus die Kollision von Feudalismus und Demokratie gewesen war, und daß die Gegenwart das demokratische Zeitalter war, wo Kapitalismus und Harmonie aufeinander prallten. Und sie verstanden auch, daß ihre Ära auch immer noch etwas anderes werden konnte. Charlotte beharrte darauf, daß es so etwas wie historischen Determinismus nicht gäbe, sondern nur die wiederholten Anstrengungen der Menschen, ihre Hoffnungen zu verwirklichen. Daraus schufen die Analytiker durch retroaktive Erkenntnis solcher Hoffnungen eine Illusion von Determinismus. Es hätte aber alles Mögliche geschehen können. Die Menschen hätten in allgemeine Anarchie verfallen können. Es hätte sich ein universeller Polizeistaat herausbilden können, um die fahre der Krise zu >kontrollieren<. Aber da sich die großen Metanationalen auf der Erde in Wirklichkeit alle zu Kooperativen im Besitz der Arbeiter gewandelt hatten, und das Volk seine eigene Arbeit kontrollierte, war es für den Moment eine Demokratie. Das hatte diese Hoffnung letztendlich bewirkt.
    Und jetzt war ihre demokratische Zivilisation dabei, etwas auszuführen, wozu das vorige System niemals imstande gewesen wäre, das bloß

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