Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars
gewinnen konnte. Vielleicht konnte es die menschliche Spezies eines Tages gewinnen; aber es schien noch ein langer Weg zu sein. Es war keine große Überraschung. Das wußte er. Er hatte es immer gewußt. Daß er die derzeit größte Manifestation des Problems benennen konnte, hatte ihm nicht seine Tiefe verschleiert. Der >schnelle Verfall< war bloß ein Name, ungenau, allzu einfach, tatsächlich kein wissenschaftlicher Terminus, sondern vielmehr ein Versuch (wie der >Urknall<), die Realität zu verkleinern und zu begrenzen als noch nicht verstanden. In diesem Fall war das Problem einfach der Tod. Tatsächlich ein rascher Verfall. Und angesichts der Natur von Leben und Zeit war das ein Problem, das kein lebender Organismus jemals wirklich lösen würde. Verschiebungen ja, Lösungen nein. »Die Realität selbst ist sterblich.«
»Natürlich«, sagte Maya, versunken in den Anblick des Sonnenuntergangs.
Er brauchte ein einfacheres Problem. Nicht ein Schritt in Richtung auf größere Probleme durfte es sein, sondern ein vorläufiger Schritt, auf etwas zu, das er lösen könnte. Gegen die Ausfälle ankämpfen. Das war sicher ein Problem, das, bereit untersucht zu werden, auf der Hand lag. Sein Gedächtnis brauchte Hilfe. Die Arbeit daran könnte sogar Licht auf den raschen Verfall werfen. Denn sterben würden alle. Aber sie könnten zumindest mit intakten Erinnerungen sterben.
Also lenkte er die Hauptgewichtung fortan auf das Gedächtnisproblem und gab den raschen Verfall und alle übrigen Themen des Alterns auf. Er war ja schließlich doch sterblich.
D ie neueren Arbeiten über das Gedächtnis waren sehr anregend. Diese spezielle wissenschaftliche Front hatte gewisse Beziehungen zu der Arbeit über die Lerntechniken, die es Sax ermöglicht hatte, sich (teilweise) von seinem Schlag zu erholen. Das war nicht überraschend, da Gedächtnis das Behalten von Erlerntem war. Alle Wissenschaft vom Gehirn schien auf ihr Verständnis vom Bewußtsein zusammenzulaufen. Aber in dieser Folge blieben Behalten und Erinnern widerspenstige entscheidende Themen, die man immer noch nur mangelhaft verstand.
Aber es gab Hinweise, die sich ständig mehrten. Kliniken meldeten, daß viele der Alten Gedächtnisprobleme wechselnder Art hatten. Und hinter den Alten kam eine riesige Generation von Nisei, die die bei ihren Vorfahren auftretenden Probleme sahen und hofften, ihnen zu entgehen. Also war das Gedächtnis ein aktuelles Thema. Hunderte, sogar Tausende von Labors arbeiteten auf die eine oder andere Weise daran; und als Resultat wurden verschiedene Aspekte deutlich. Sax vertiefte sich in die Literatur in seiner gewöhnlichen Art. Er las einige Monate ohne Ende; und glaubte danach sagen zu können, wie das Gedächtnis arbeitete. Aber wie alle an dem Problem arbeitenden Forscher stieß er auf die ungenügende Kenntnis der Grundlagen von Bewußtsein, Materie und Zeit. Und an dieser Stelle konnte Sax, so detailliert das Wissen auch war, nicht verstehen, wie man das Gedächtnis verbessern oder verstärken könnte. Dazu gehörte etwas mehr.
Die ursprüngliche Hebb-Hypothese, die Donald Hebb 1949 aufgestellt hatte, war immer noch gültig, einfach weil sie ein so allgemeines Prinzip verkündete. Danach veränderte das Lernen irgendeinen physischen Zug im Gehirn, und danach codierte der veränderte Zug das Gelernte. Zu Hebbs Zeiten verstand man das physische Merkmal (das Engramm) irgendwie als ein Ereignis auf synaptischer Stufe. Und da es für jedes der zehn Milliarden Neuronen im Gehirn Hunderttausende von Synapsen geben konnte, erhielten die Forscher den Eindruck, daß das Gehirn imstande sei, 10 14 Bits an Daten zu erfassen. Das erschien damals mehr als angemessen, das menschliche Bewußtsein zu erklären. Und das lag für Computer auch im Bereich des Möglichen. Es führte zu einer kurzen Woge von Euphorie hinsichtlich der Vorstellung leistungsfähiger künstlicher Intelligenz. Ebenso gab es zu jener Zeit eine Version >maschineller Fehlerhaftigkeit als Gegenstück zur pathologischen Fehlerhaftigkeit, bei der man dachte, daß das Gehirn so etwas wie die stärkste Maschine dieser Zeit sein könnte.
Aber die Arbeiten des einundzwanzigsten und zweiundzwanzigsten Jahrhunderts machten klar, daß es keine spezifischen Plätze für >Engramme< als solche gab. Jede Menge von Experimenten zur Lokalisierung dieser Stellen, einschließlich solcher, bei denen verschiedene Teile von Rattengehirnen entfernt worden waren, nachdem sie eine Aufgabe
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