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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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voll in der gegenwärtigen Situation engagiert. Aus ihrer Distanziertheit geholt. Es war wirklich recht alarmierend, wenn er jetzt darüber nachdachte. Sogar die Seefahrer waren sichtlich erschüttert, obwohl sie zuvor wie Ann von allem, was an Land geschah, distanziert erschienen waren. Sax sah, wie die Nachricht durch die Gespräche im Restaurant lief und alle denselben Schluß zogen: Umwälzung, Krise, Kriegsdrohung. Die Stimmen waren ungläubig und die Gesichter wütend.
    Die Leute an ihrem Tisch sahen Sax und Ann an, gespannt auf ihre Reaktion. Einer ihrer Führer bemerkte: »Ihr werdet etwas dagegen tun müssen.«
    »Warum wir?« entgegnete Ann scharf. »Ihr müßt etwas dagegen tun, wenn ihr mich fragt. Ihr tragt jetzt die Verantwortung. Wir sind bloß ein Paar alter Issei.«
    Ihre Tischgenossen sahen überrascht aus und wußten nicht, wie sie das verstehen sollten. Der Gastgeber, der gesprochen hatte, schüttelte den Kopf. »Das stimmt nicht. Aber du hast recht, wir werden aufpassen und mit den anderen Stadtschiffen reden, wie zu reagieren ist. Wir werden unseren Teil leisten. Ich sagte bloß, daß die Leute auf euch schauen werden, um zu sehen, was ihr macht. Das gilt für uns nicht so sehr.«
    Ann wurde dadurch zum Schweigen gebracht. Sax wandte sich wieder seinem Essen zu und dachte intensiv nach. Er stellte fest, daß er mit Maya reden mußte.
    Der Abend zog sich hin, die Sonne sank, das Dinner schleppte sich, während sie alle versuchten, zur Normalität zurückzufinden. Sax unterdrückte ein kleines Lächeln. Es konnte eine interplanetare Krise geben oder nicht, das Dinner mußte jedenfalls inzwischen stilgerecht abgewickelt werden. Und diese Seefahrer waren nicht der Menschenschlag, der geneigt war, sich um das Sonnensystem Sorgen zu machen. So erholte sich die Stimmung wieder, und sie widmeten sich gesellig ihrem Dessert, immer noch sehr erfreut, daß Clayborne und Russell sie besuchten. Und dann empfahlen sich im letzten Tageslicht die beiden und wurden auf Meeresniveau und zu ihrem Boot geleitet. Die Wellen auf der Chryse-Bucht waren viel größer, als es von oben ausgesehen hatte.
     
    Sax und Ann fuhren schweigend davon, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Sax blickte auf das Stadtschiff zurück und dachte über das nach, was sie an diesem Tag gesehen hatten. Es schien ein gutes Leben zu sein. Aber etwas daran... Er verscheuchte den Gedanken und fing ihn dann am Ende des raschen Hindernisrennens wieder ein und hielt ihn fest: In diesen Tagen hatte es keine Ausfälle gegeben. Das war eine große Befriedigung, obwohl dieser ganze Gedankengang rein melancholisch war. Sollte er ihn mit Ann teilen? War es möglich, so etwas zu sagen?
    Dann sagte er: »Es scheint ironisch, aber manchmal bedauere ich, wenn ich diese Seefahrer und das Leben, das sie führen, so sehe, daß wir erst auf der Schwelle eines goldenen Zeitalters stehen...« - so, nun hatte er es ausgesprochen und fühlte sich töricht -, »...das erst kommen wird, wenn unsere Generation gestorben ist. Wir haben unser ganzes Leben dafür gearbeitet; und dann müssen wir gehen, ehe es soweit ist.«
    »Wie Moses angesichts des verheißenen Landes.«
    »Ja? - Ist er nicht hineingekommen?« Sax schüttelte den Kopf. »Diese alten Geschichten...« So ein Zusammentreffen. Wie die Wissenschaft in seinem Herzen, wie das Aufblitzen von Einsicht, wenn man an ein Experiment heranging und alles dabei geklärt war und man einiges verstand. »Nun, ich kann mir vorstellen, wie er sich gefühlt hat. Das ist - frustrierend. Ich würde lieber sehen, was danach geschieht. Manchmal werde ich so neugierig. Über die Geschichte werden wir nie etwas erfahren. Die Zukunft nach unserm Tod. Und alles übrige. Weißt du, was ich meine?«
    Ann sah ihn prüfend an. Schließlich sagte sie: »Alles stirbt eines Tages. Besser du denkst, daß du ein goldenes Zeitalter verfehlst, als zu denken, daß du die Chancen deiner Kinder mit dir genommen hast. Daß du deine Nachkommen mit giftigen langfristigen Schulden aller Art zurückgelassen hast. Das wäre doch wirklich deprimierend. So wie es ist, müssen wir uns nur für uns selbst schlecht fühlen.«
    »Stimmt.«
    Und das war Ann' Clayborn, die da sprach. Sax fühlte, daß sein Gesicht glühte. Diese kapillare Aktivität konnte eine ganz angenehme Empfindung sein.
     
    Sie kehrten zum Archipel von Oxia zurück und segelten zwischen den Inseln und redeten darüber. Es war möglich, sich zu unterhalten. Sie aßen im Cockpit

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