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Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars

Titel: Mars-Trilogie 3 - Blauer Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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versuchte, sich ihm entgegenzustemmen. So groß, so hell, so windig und weit, so erdrückend schwer - die schiere Masse der weißen Welt - und dennoch mit einer Art Dunkelheit dahinter wie vom Vakuum des Weltraums, das dort jenseits des Himmels zu sehen war. Er nahm die Sonnenbrille ab, um zu sehen, wie es wirklich aussah. Aber der Glanz war so unmittelbar und heftig, daß er die Augen schließen und das Gesicht mit der Armbeuge bedecken mußte. Immer noch pulsierten vor seinen Augen große weiße Balken, und sogar das Nachbild schmerzte in seiner blendenden Intensität. »Wow!« schrie er und lachte, entschlossen, es noch einmal zu versuchen, sobald die Nachbilder schwächer würden, aber ehe seine Pupillen sich wieder geweitet hatten. Das tat er, aber der zweite Versuch war ebenso schmerzhaft wie der erste. Wie kannst du es wagen, mich unverhohlen anzuschauen! rief die Welt ihm schweigend zu. »Mein Gott!« Mit Gefühl. »Ka wow!«
    Er setzte die Sonnenbrille wieder vor die geschlossenen Augen und blickte durch die hüpfenden Nachbilder nach draußen. Allmählich stabilisierte sich die urtümliche Landschaft aus Eis und Fels wieder aus den pulsierenden schwarzen, weißen und neongrünen Balken. Weiß und Grün. Und dies war das Weiß. Die kahle Welt des unbelebten Universums. Dieser Ort hatte genau die gleiche Bedeutung wie die primäre Landschaft des Mars. Ja, eben so groß wie auf dem Mars und sogar noch größer wegen der fernen Horizonte und der erdrückenden Schwere. Und steiler und weißer und windiger. Ka, es drang so scharf durch seinen Parka. Noch windiger, noch kälter. O Gott, als ob ein Wind durch sein Herz stieße. Die jähe Erkenntnis, daß die Erde so weit war, daß sie in ihrer Vielfalt Regionen hatte, die sogar den Mars in seinem Marssein überboten, daß sie unter all diesen Möglichkeiten so wundervoll war. Das war großartig, selbst wenn man Marsianer war.
    Dieser Gedanke machte ihn still. Er stand nur da und starrte und versuchte, es zu erfassen. Der Wind erstarb für einen Moment. Auch die Welt war still. Keine Bewegung. Kein Laut.
    Als er die Stille bemerkte, begann er sie zu beobachten, in sie hineinzuhorchen. Er hörte nichts, und dadurch wurde die Stille an sich immer greifbarer. Das war neu, anders als alles, was er je gehört hatte. Er dachte darüber nach. Auf dem Mars hatte er sich stets in Kuppeln oder Schutzanzügen befunden, immer in einer zwangsläufig mit Geräuschen verbundenen Maschinerie. Die einzige Ausnahme bildeten die seltenen Spaziergänge auf der Oberfläche, die er in den letzten Jahren gemacht hatte. Aber selbst da war immer der Wind gewesen oder Maschinensurren in der Nähe. Mit der Zeit hatte er die Geräuschkulisse einfach nicht mehr bemerkt. Hier war es anders. Es gab jetzt nur die große Stille, die Stille des Universums selbst. Kein Traum konnte das vermitteln.
    Und dann begann er wieder etwas zu hören. Das Blut in seinen Ohren. Sein Atem in der Nase. Das ruhige Wirbeln seines Denkens schien einen ellipsenartigen Ton zu erzeugen. Seine eigenen Körperfunktionen diesmal, sein Leben mit den organischen Pumpen, Belüftungssystemen und Generatoren. Die Mechanismen waren alle noch da, arbeiteten in ihm und folgten ihrer eigenen Melodik. Jetzt war er frei von allem sonst, inmitten einer großen Stille, in der er sich selbst hören konnte. Er stand völlig frei auf dieser Welt, hatte die Schranke in den Raum, die er zuvor in der Grelligkeit des Schnees nicht zu überwinden vermochte, durchbrochen. Und frei im Eis, dort wo alles angefangen hatte. Mutter Erde - er dachte an Hiroko, aber diesmal ohne den nagenden Kummer, den er in Trinidad empfunden hatte. Wenn er zum Mars zurückkehrte, würde er damit leben können. Er konnte als freies Wesen in die Stille hinausgehen, im Freien unter dem Wind leben, dieses reine, weite, leblose Weiß, mit etwas ähnlichem wie diese dunkelblaue Kuppel über sich. Das Blau als eine sichtbare Aspiration des Lebens selbst, Sauerstoff, die dem Leben eigene Farbe. Da oben das Weiß überspannend. Irgendwie ein Zeichen. Das Weiß und das Grün, nur war das Grün hier blau.
    Mit Schatten. Zwischen den schwachen lauernden Nachbildern lagen lange Schatten, die von Westen kamen. Er war vom Jungfraujoch weit entfernt und auch noch beträchtlich tiefer. Er drehte sich um und begann den Jungfraufirn hochzuklettern. In der Ferne nickten seine beiden Gefährten und wandten sich selbst rasch steigend nach oben.
    Recht bald waren sie im Schatten der

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