Mars
Waterman aufgeh ö rt hatte zu reden und ihn vom Bildschirm herab erwartungsvoll ansah. Wie ein Kind, das seinen Vater um Erlaubnis bittet, einen neuen Schritt zum Erwachsenleben zu tun, dachte Li.
Er zwinkerte zweimal und h ö rte sich dann wie aus gro ß er Ferne antworten: » Also gut, f ü hren Sie Ihr Vorhaben durch. Aber ich erwarte von Ihnen, Kommandant Wosnesenski, da ß Sie sofort haltmachen, wenn Ihre Treibstoffvorr ä te unter die kritische Schwelle sinken sollten. «
Die Kamera unten schwenkte zu Wosnesenski zur ü ck. » Ich habe die Treibstoffreserven berechnet, die wir f ü r die sichere R ü ckkehr zur Basis brauchen, und einen Notfallfaktor von zwanzig Prozent hinzuaddiert. «
» Wenn Sie diesen Punkt erreichen, m ü ssen Sie umkehren, ganz gleich, wo Sie sind oder was Sie tun. Ist das klar? «
» Ja, Sir. «
» Doktor Waterman? «
Er h ö rte Watermans Stimme antworten: » Klar. «
» Also dann, machen Sie weiter. « Li streckte die Hand zur Tastatur aus, um die Ü bertragung zu beenden, z ö gerte dann jedoch einen Moment lang und f ü gte noch hinzu: » Und viel Gl ü ck. «
» Danke! « ert ö nten die Stimmen der beiden M ä nner unisono.
ERDE
KALININGRAD: In den frühen Tagen des sowjetischen Raumfahrtprogramms, als die aus Kalten-Kriegs-Ängsten geborene Heimlichtuerei alles beherrschte, waren die Standorte der Raumfahrteinrichtungen nach Möglichkeit geheimgehalten worden. Die größte sowjetische Abschußbasis zum Beispiel lag angeblich bei Baikonur, einer Stadt mitten in der kasachischen Sowjetrepublik, einem Land, das früher einmal mongolische Horden und die wilden Reiter von Tamerlan unsicher gemacht hatten.
In Wirklichkeit liegt das Startzentrum in der Nähe der Stadt Tyuratam, über dreihundert Kilometer südwestlich von Baikonur, an der großen Eisenbahnstrecke von Moskau nach Taschkent.
In jener Zeit des Mi ß trauens wurde Kaliningrad, das Raumfahrt-Kontrollzentrum, von dem die ersten bemannten Raumfl ü ge geleitet wurden, in der Ö ffentlichkeit nicht erw ä hnt. Gagarins Pionierflug um die Erde, die Tausende Mannstunden an Bord eines Dutzends Raumstationen und schlie ß lich die erste Expedition zum Mars – sie alle waren von dem Zentrum in Kaliningrad geleitet worden, das ungef ä hr sechs Kilometer nord ö stlich des ä u ß ersten Autobahnrings um die Metropole Moskau lag.
Das Protokoll f ü r die Leitung der Marsmission war beschlossen worden, lange bevor ü berhaupt mit der Montage der verschiedenen Raumschiffe in der Erdumlaufbahn begonnen worden war. In dem Wissen, da ß es bei der Kommunikation zwischen dem Mars und der Erde eine Verz ö gerung von zehn Minuten oder mehr geben w ü rde, hatten die Missionsplaner die gesamte Autorit ä t in die H ä nde des Expeditionskommandanten, Dr. Li Chengdu, gelegt.
Es war nicht n ö tig, da ß Dr. Li beim Kontrollzentrum in Kaliningrad nachfragte, bevor er eine Entscheidung traf. Er hatte die alleinige Verantwortung f ü r die t ä gliche Arbeit der Teams im Marsorbit und auf der Oberfl ä che des Planeten.
Das hie ß jedoch nicht, da ß seine Entscheidungen nicht aufgehoben werden konnten.
Nachdem er seine Zustimmung zu Wosnesenskis und Watermans au ß erplanm äß iger Eilfahrt zum Tithonium Chasma gegeben hatte, meldete Dr. Li die Ä nderung des Exkursionsplans routinem äß ig nach Kaliningrad. Routinem äß ig hie ß in diesem Fall, da ß er wie ü blich bis zum Ende des Tages wartete, bevor er seinen Bericht abschickte. Der Umweg des Rover-Teams nach Tithonium wurde in seinem ü blichen Tagesbericht unter Punkt siebzehn aufgelistet. Punkt siebzehn von zweiundzwanzig Punkten.
Daher war es in Ru ß land kurz nach vier Uhr morgens, als sein Bericht eintraf. Die Flugkontrolleure arbeiteten nat ü rlich in drei Schichten, aber ihre Vorgesetzten – die M ä nner und Frauen, welche die eigentlichen Entscheidungen trafen – schliefen tief und fest, als Lis Bericht ü ber den Bildschirm des obersten Flugkontrolleurs dieser Schicht zu laufen begann.
Er war ein Russe, der seine Pflichten ernst nahm. Neben ihm an der Konsole sa ß sein amerikanisches Pendant, eine kesse rothaarige Ingenieurin, die vom Jet Propulsion Laboratory des California Institute of Technology ausgeliehen worden war. Schulter an Schulter lasen sie den Bericht des Expeditionskommandanten auf dem Bildschirm; die Amerikanerin war ein bi ß chen ungeduldig, weil ihr Kollege etwas l ä nger f ü r den englischen Text brauchte. Um diese Zeit war es
Weitere Kostenlose Bücher