Mars
im Kontrollzentrum still und ruhig. Obwohl alle Stationen besetzt waren, gab es wenig Aktivit ä t und noch weniger Gespr ä che.
Bis die amerikanische Flugkontrolleurin pl ö tzlich ausrief: » Er hat es genehmigt! Ohne Absprache mit uns? «
Augen wurden aufgerissen, K ö pfe drehten sich ihr zu.
Der russische Schichtleiter sagte: » Doktor Li hat die Befugnis …«
» Einen Teufel hat er « , sagte die Amerikanerin. Ihre gr ü nen Augen blitzten w ü tend. » Im Protokoll steht ausdr ü cklich, da ß jede gr öß ere Ä nderung des Plans vorher mit dem Kontrollzentrum abgesprochen werden mu ß ! «
»Jede größere Änderung«, sagte der Russe milde.
»Finden Sie nicht, daß es eine größere Änderung ist, wenn dieses Rover-Team ein Umweg von sechshundert Kilometern macht?« Sie riß das Telefon von seiner Auflage an der Konsole und begann, eine Nummer einzutippen. »Wieviel Treibstoff hat dieses Marsauto eigentlich? Bringen sie sich nicht in Gefahr, damit liegenzubleiben?«
Der Russe gab etwas in die Tastatur an der Konsole ein, und die Spezifikationen des Mars-Rovers verdr ä ngten Dr. Lis Bericht von ihrem Bildschirm.
» Es hat einen Aktionsradius von tausend Kilometern « , sagte er. »Ü ber die H ä lfte seiner Masse besteht aus Treibstoff. Ein enormer Sicherheitsfaktor. «
» Nicht, wenn sie au ß erplanm äß ige zw ö lfhundert Kilometer einlegen. «
» Wollen Sie den obersten Missionsleiter um diese Uhrzeit anrufen? «
» Nein, verdammt, ich bin ja nicht wahnsinnig « , antwortete die Amerikanerin. Ein leichtes Grinsen durchbrach ihre Wut. » Ich rufe Houston an. «
Der Russe erwiderte das L ä cheln. » Ah – und die wecken dann den Chef auf. «
» Genau. Ich gehe vielleicht schnell in die Luft, aber ich bin nicht bl ö d. «
HOUSTON: Die Befehlshierarchie auf der Erde war wie alles andere bei der Marsmission in zwei Stränge aufgeteilt. Das Kontrollzentrum befand sich in Kaliningrad, aber es gab noch ein ›Schatten‹-Kontrollteam in dem alten NASA-Zentrum am Clear Lake in der Nähe von Houston.
Das Zentrum war Anfang der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts als politische Belohnung für die Wahlunterstützung in Texas geschaffen worden. Ursprünglich auf den Namen Manned Space Center getauft – Zentrum für bemannte Raumfahrt –, wurde das fast eine Autostunde von der Innenstadt von Houston entfernt gelegene Zentrum zur Heimat der Astronauten, dem Ort, wo alle bemannten Raumfahrtaktivitäten geplant und geleitet wurden. Schließlich wurde es nach Lyndon B. Johnson benannt. Als Vizepräsident hatte Johnson den Vorsitz in John F. Kennedys Space Council innegehabt und sich energisch für das wagemutige Programm eingesetzt, noch vor Ende der sechziger Jahren Amerikaner auf den Mond zu schicken.
Aber so schnell die Ingenieure auch arbeiteten, gegen den Lauf der Geschichte hatten sie keine Chance. Als die ersten Astronauten den Fu ß auf den Mond setzten, war Kennedy tot und sein Nachfolger, Johnson, nicht mehr im Amt. Das amerikanische Raumfahrtprogramm befand sich zwar offenkundig auf dem Gipfel seines Erfolges, wurde jedoch immer weiter ausgeh ö hlt und praktisch zum Erliegen gebracht, ein Opfer des Vietnamkriegs, der unter Johnson eskaliert war.
Aber das Johnson Space Center blieb bestehen, und es wuchs sogar. Als Zentrum aller bemannten Raumfahrtaktivitäten wurde es zum Hauptquartier für die Hunderte von Astronauten, die dazu rekrutiert wurden, um das Space Shuttle und dessen Nachfolger zu fliegen. Männer und Frauen trainierten dort, bevor sie zur amerikanischen Raumstation Freedom oder einer der ausländischen (oder gar privaten) Raumstationen hinauffliegen durften, die bereits um die Erde kreisten.
Auf den ersten Blick sah das Johnson Space Center eher wie ein Universitätscampus aus. Gebäude mit modernistischen Glasfassaden und grüner Rasen, eine entspannte Atmosphäre, junge Männer und Frauen, die von einem Gebäude zum anderen schlenderten oder mit ihren Wagen die breiten, von Bäumen gesäumten Straßen entlangfuhren. Am Haupteingang hatte jedoch eine riesenhafte Saturn V-Rakete, eine Relikt der alten Apollo-Ära, ihre letzte Ruhestätte gefunden; sie lag auf der Seite wie ein gestrandeter Wal. Und hinter den hohen Türmen aus Glas und Stahl waren kleinere, fensterlose Gebäude, die vor Elektrizität summten und in denen Pumpen und Motoren pulsierten.
In einem dieser fensterlosen Gebäude befand sich das ›Schatten‹-Kontrollzentrum. Es war kurz nach
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