Mars
acht Uhr an einem ruhigen, warmen Abend in Texas, als die Anfrage aus Kaliningrad kam.
Auch in Houston hatten die obersten Entscheidungstr ä ger bereits Feierabend gemacht und sich in alle Himmelsrichtungen in ihre Vorstadth ä user zerstreut. Die Schreibtische und Konsolen waren nur von einer Handvoll M ä nner und Frauen besetzt, die gr öß tenteils jung waren und diese Arbeit noch nicht lange machten.
Der Schichtleiter, ein Systemanalytiker mittleren Alters, mampfte gerade eine T ü te Tortilla-Chips mit K ä segeschmack, als sein › rotes ‹ Telefon summte. Mit einer Mischung aus Ä rger und Verbl ü ffung nahm er den H ö rer ab.
Es war reiner Zufall, da ß er die amerikanische Flugkontrolleurin in Kaliningrad pers ö nlich gut kannte. Sie hatten mehrere Semester gemeinsam am CalTech studiert.
» Josie, wie geht ’ s so? « sagte er zu dem angespannten Gesicht, das auf seinem Bildschirm erschien. » Behandeln diese Russkis dich gut? «
Fast ein Herzschlag Verz ö gerung, weil das elektronische Signal von einem Fernmeldesatelliten weitergeleitet wurde, bevor ihre Antwort kam.
» Sam, wir haben hier ein Problem. «
Er beugte sich ruckartig auf seinem Stuhl vor. » Was ‘ n los? «
» Doktor Li hat eine Ausweitung der Rover-Exkursion genehmigt, ohne sich vorher mit dem Kontrollzentrum abzusprechen. «
» Du lieber Gott! « Er legte eine pummelige Hand auf seine wogende Brust. » Ich dachte, es g ä be echte Probleme. Jag mir nicht so einen Schrecken ein, Jo! «
»Das ist ein Problem – es ist eine Verletzung des Protokolls über die Kommando- und über die Entscheidungsstruktur.«
»Ach Quatsch. Wenn der verdammte Rover den Geist aufgegeben hätte oder jemand da draußen liegengeblieben wäre, dann hätten wir ein Problem. Das da ist bloß Papierkram.«
Sie lie ß sich nicht abwimmeln. » Du mu ß t Maxwell und Goldschmitt an den Apparat holen. Sie m ü ssen sofort dar ü ber Bescheid wissen. «
» M ü ssen sie nicht. «
» M ü ssen sie doch! Entweder du rufst sie an, oder ich rufe ihre russischen Pendants hier in Kaliningrad an. «
Mit einem Blick auf die Zeitanzeigen an der Wand gegen ü ber sagte er: » Herrje, da dr ü ben ist es vier Uhr morgens. «
» Es ist wichtig, Roscoe. «
» Nenn mich nicht Roscoe! «
» Ruf Maxwell und Goldschmitt an. Und zwar gleich, bevor wir sie nicht mehr aufhalten k ö nnen. «
» Die essen wahrscheinlich gerade zu Abend. «
»Was wäre dir lieber: daß du sie beim Abendessen störst oder daß sie morgen rausfinden, daß zwei Mitglieder unseres Bodenteams auf einer nicht genehmigten Spritztour sind, weil du sie nicht rechtzeitig genug informiert hast, um sie noch zu stoppen?«
WASHINGTON: Es war kein Zufall, daß Alberto Brumado an dem Festbankett teilnahm, dessen Ehrengast die Vizepräsidentin war. Brumado wußte, daß diese Frau gute Chancen hatte, die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden, und ihre Ansichten konnten durchaus darüber entscheiden, wann – und sogar ob – die zweite Expedition zum Mars in Angriff genommen werden würde.
Brumado hatte sie schon oft getroffen, und obwohl sie völlig verschiedener Meinung über die Bedeutung der Weltraumforschung waren, hatten sie sich auf die höfliche, widerwillige Weise miteinander angefreundet, die politische Gegner oftmals für notwendig halten. Washingtons gesellschaftliche Kreise waren schließlich zu klein, um bei Cocktailparties und Festbanketten Kämpfe auszufechten. Es war besser, zu lächeln und darin einig zu gehen, daß man verschiedener Meinung war – im gesellschaftlichen Rahmen.
Brumado hatte also nicht die geringste Absicht, den Mars gegen ü ber der Vizepr ä sidentin auch nur zu erw ä hnen. Dies war ein geselliger Abend, da war man charmant und geistreich und arbeitete an dem freundschaftlichen Verh ä ltnis, das die pers ö nlichen Differenzen in den Tagesstunden des politischen Gesch ä fts vielleicht abmildern w ü rde.
Die Ansprache der Vizepr ä sidentin nach dem Bankett war ein deutliches Signal, da ß sie von ihrer Partei nominiert werden wollte. Sie sprach von Amerikas Gr öß e, vom Wachstum der nationalen Wirtschaft und davon, wie ihre T ä tigkeit an der Spitze der Sonderkommission zur Neubelebung der innerst ä dtischen Gebiete das Antlitz der St ä dte im ganzen Land ins Positive ver ä ndere.
»Und der Schlüssel zu all dem«, erklärte sie ihrem Publikum – Männern in Smokingjacken und juwelenbehängten Frauen in Abendkleidern –, »der
Weitere Kostenlose Bücher