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Mars

Mars

Titel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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konnte. Jeder, der sie kannte, liebte sie, und Tony am allermeisten. Um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, brauchte er nur so zu tun, als w ä re er krank. Ein Husten oder ein Niesen, schon kam sie herbeigeflattert. Bevor er neun Jahre alt war, lernte Tony, wie man einen Fieberanfall vort ä uschte: indem man das Thermometer unter den Warmwasserhahn hielt. Mit zunehmendem Alter keimte in ihm der Verdacht, da ß seine Mutter all seine kleinen Tricks kannte und ihm vorbehaltlos verzieh. Die meiste Zeit ü ber war er der Mann im Haus. Er hatte seine Mutter ganz f ü r sich, au ß er wenn sein Vater daheim war.
    Tony hatte sich insgeheim davor gef ü rchtet, das Elternhaus zu verlassen und an die Universit ä t zu gehen, aber er fand rasch heraus, da ß das Studentenleben ein ungetr ü btes Vergn ü gen war. Es war l ä cherlich einfach, sich in den Mittelpunkt zu stellen und der unangefochtene F ü hrer der Gruppe zu werden. Die anderen Studenten waren offenbar gr öß tenteils tr ü be Tassen, die nur dazu taugten, die Leidtragenden seiner derben Scherze oder die Opfer seines grausamen scharfen Verstandes abzugeben. Je mehr er sie dem ü tigte, desto mehr katzbuckelten sie vor ihm, suchten seine Gunst, verwandelten sich in Lakaien, um seinem Ä rger zu entrinnen.
    Es ü berraschte Tony einigerma ß en, da ß er bei Frauen so leichtes Spiel hatte. Sie hielten seine Tarnung irrt ü mlich f ü r Selbstbewu ß tsein und seine absolute Egozentrik f ü r Kultiviertheit. Diese erneute Best ä tigung, da ß Frauen noch leichter zu manipulieren waren als M ä nner, bereitete Tony gro ß e Freude.
    Der einzige in seiner Klasse, der sich ihm nicht beugte, war der sture, phlegmatische Sohn eines Fabrikarbeiters aus Manchester, der das gesellschaftliche Leben des Campus ignorierte und sich mit der unbeirrbaren Intensit ä t der Verzweiflung auf seine B ü cher konzentrierte. Er wirkte so phantasielos und bed ä chtig wie ein Bauer, aber er fiel niemals auf einen von Tonys kleinen Streichen herein. Er entdeckte immer den Eimer Wasser, der auf der halb offenen T ü r balancierte. Er lie ß sich nie von den willf ä hrigen jungen Damen herumkriegen, die Tony zu ihm schickte, damit sie ihn in Versuchung f ü hrten. Als er sah, da ß sein Bett mit Bier getr ä nkt war, drehte er geduldig und ohne zu murren die Matratze um, wechselte das Bettzeug und erschien am n ä chsten Morgen in der Klasse, als ob nichts geschehen w ä re.
    Tony machte seinen Abschlu ß als Zweitbester in seiner Klasse. Der Bauer schaffte es irgendwie, der Beste zu werden. Er machte Tony w ü tend. Trotzdem hatten sie in all den vier Collegejahren nie mehr Worte gewechselt als die ü blichen H ö flichkeitsfloskeln. Nach dem Collegeabschlu ß sah Tony ihn nie wieder, und er war froh dar ü ber.
    » Nach Indien reisen? « Sein Vater stand kurz vor einem Schlaganfall. » Du wirst Medizin studieren, junger Mann! Du bist an meinem alten College angenommen worden, zum Teufel, und du gehst nirgendwo anders hin! «
    » Aber ich glaube nicht, da ß ich schon soweit bin …«
    » Pah! Ich kenne dich, du Schlawiner. Hast Angst, da ß du dich tats ä chlich auf den Hosenboden setzen und studieren mu ß t. Angst davor, hart zu arbeiten. Wird dir gut tun, so ein bi ß chen harte Arbeit. Du gehst an die medizinische Fakult ä t, mein Junge. Und damit basta. «
    Also ging Tony an die medizinische Fakult ä t. Sein Vater hatte recht gehabt; er war von banger Erwartung erf ü llt. Sobald er jedoch dort war, stellte Tony fest, da ß es noch lustiger zuging als an der Universit ä t. Mogelb ü cher und Testkassetten gab es beinahe schon offiziell zu kaufen. Aber nach den ersten paar Monaten merkte Tony, da ß er eine echte Faszination f ü r das Studium des menschlichen K ö rpers entwickelte. Zu seiner Ü berraschung stellte er fest, da ß ihm das Lernen Spa ß machte. Er begann tats ä chlich, hart zu arbeiten und zu studieren. Er wollte hervorragende Leistungen bringen.
    Und immer war da der Mars – weit hinten in seinen Gedanken, knapp jenseits des Horizonts seines Daseins. Manchmal verga ß er ihn monatelang, ja sogar jahrelang, und dann war in einer Nachrichtensendung auf einmal wieder eine Rakete zu sehen, die in einem tosenden Meer aus Feuer und Dampf abhob, um ein Roboter-Landefahrzeug zu dem roten Planeten zu transportieren. Oder ein Gastredner sprach ü ber die medizinischen Probleme in der Mikroschwerkraftumgebung einer Raumstation und erw ä hnte beil ä ufig, da ß man

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