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Mars

Mars

Titel: Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Bova
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Hoffmann auf der Innenbahn. Der Wiener war ursprünglich Physiker gewesen und hatte erst vor ein paar Jahren auf Geologie umgesattelt. Jamie war sicher, daß es eher seine österreichische Staatsangehörigkeit als seine Qualifikation als Geologe war, die ihn auf den zweiten Platz hinter DiNardo gebracht hatte. Und vor Jamie.
    Monatelang hatte Jamie gesp ü rt, wie eine leise k ö chelnde Wut in ihm aufstieg. Ich bin ein besserer Geologe als Hoffmann, sagte er sich. Aber ihn werden sie zum Mars schicken, wenn DiNardo ausf ä llt, und ich werde hier auf der Erde bleiben. Weil die Politiker eine ausgewogene Mischung von Nationalit ä ten haben wollen und es keinen weiteren Ö sterreicher in der Gruppe gibt. Noch schlimmer: Die Politiker tun alles, was in ihrer Macht steht, damit die Zahl der Amerikaner und Russen gleich bleibt. Und mich z ä hlen sie als Amerikaner.
    Als er sich Dr. Lis Tür näherte, fragte er sich zum tausendsten Mal, was er tun konnte, um die Situation zu ändern. Warum hat er mich zu sich gerufen? Wird Li jetzt, wo er offiziell zum Kommandanten der Expedition ernannt worden ist, als Wissenschaftler oder als Politiker handeln? Kann er mir helfen? Wird er mir helfen, wenn er kann?
    Jamie klopfte an Dr. Lis Tür.
    Die Besetzung der Position des Expeditionskommandanten war von den Politikern und Administratoren mit ä u ß erster Sorgfalt vorgenommen worden. Es mu ß te ein hochgeachteter Wissenschaftler sein, ein nat ü rlicher F ü hrer, ein Mensch, der die M ä nner und Frauen, die er auf einer anderen Welt befehligen w ü rde, inspirieren konnte. Er mu ß te imstande sein, verletzte Egos zu beschwichtigen und emotionale Probleme unter seinen sensiblen Wissenschaftlern und Astronauten zu l ö sen.
    Vor allem mu ß te er aus einem neutralen Staat stammen: Er durfte weder aus dem Osten noch aus dem Westen sein, weder Araber noch Jude, weder Hindu noch Moslem.
    Dr. Li Chengdu war ein asketisch schlanker Mann mit bleichem Gesicht, der in Singapur als Sohn einer chinesischen Kaufmannsfamilie zur Welt gekommen war, seine Ausbildung in Shanghai und Genf erhalten hatte und, wie man munkelte, f ü r seine Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Physik der Erdatmosph ä re f ü r einen Nobelpreis im Gespr ä ch war: Er hatte eine M ö glichkeit entdeckt, den Abbau der Ozonschicht r ü ckg ä ngig zu machen und das lange Zeit gef ü rchtete Ozonloch in der oberen Atmosph ä re zu schlie ß en. Mit Anfang f ü nfzig war er jung und r ü stig genug f ü r die lange Reise zum Mars, aber auch alt und angesehen genug, sowohl nominell als auch faktisch der unangefochtene F ü hrer der Expedition zu sein.
    » Bitte kommen Sie herein « , ert ö nte Dr. Lis Stimme, nur ganz leicht ged ä mpft von der d ü nnen Hartfaserplattent ü r.
    Jamie betrat den Raum, der Li als B ü ro und Unterkunft diente. Li stand hinter dem Schreibtisch auf, der mit dem Schuhanzieher zwischen das Etagenbett und die gekr ü mmte Au ß enwand gequetscht worden war. Er war so gro ß , da ß er sich ziemlich b ü cken mu ß te, um sich den Kopf nicht an den gebogenen Deckenpaneelen zu sto ß en.
    Der Raum hatte ü berhaupt keine pers ö nliche Note; er war in keiner Weise von der Anwesenheit eines Individuums gepr ä gt. Li war erst vor ein paar Tagen gekommen und sollte mit Jamies Gruppe am n ä chsten Morgen wieder abfliegen. Der Schreibtisch war leer, bis auf einen leise summenden Laptop-Computer, dessen Bildschirm in blassem Orange glomm. Das Bett war mit milit ä rischer Pr ä zision gemacht, die Decken waren sorgf ä ltig unter die d ü nne Matratze gezogen. Das einzige Fenster wurde von dem weggepfl ü gten Schnee versperrt, der an der Geb ä udewand aufgeh ä uft war. Schmale, lange Neonlampen liefen an der niedrigen Decke entlang und gaben Lis blasser Haut einen beinahe gespenstischen Schimmer.
    Als Jamie Dr. Li vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet war, hatte ihn die Gr öß e des Mannes verbl ü fft. Jetzt war er erneut ü berrascht. Li war beinahe zwei Meter gro ß und so hager, da ß er fast schon ausgemergelt wirkte, eine riesige Vogelscheuche mit hohlen Wangen und langen, d ü nnen Fingern. Der frisch ernannte Expeditionskommandant trug ein weiches, kohlschwarzes Velourshemd, das lose um seinen d ü nnen K ö rper hing.
    » Ah, Doktor Waterman. Bitte setzen Sie sich. « Li wies auf den einzigen anderen Stuhl im Raum, ein vom Staat gestelltes M ö belst ü ck aus abgenutztem, mattgrauem Stahl mit einem d ü nnen Plastikkissen, das

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