Mars
der Antarktis-Station verbringen und lernen, wie es war, in einem abgelegenen Forschungsposten zu hausen, abgeschnitten vom Rest der Welt, eng zusammengepfercht in ziemlich unzul ä nglichen Einrichtungen mit wenigen Annehmlichkeiten und stark eingeschr ä nkter Privatsph ä re, wo man darum k ä mpfte, in einer ö den, gefrorenen Welt aus Eis und bitterer K ä lte zu ü berleben.
Als Jamie mit raschen Schritten den schmalen Flur der halb im Schnee begrabenen H ü tte entlangging, dachte er bei sich: Alle Wissenschaftler im Projekt sind gleich. Ein paar sind allerdings gleicher als die anderen. Und jetzt ist Dr. Li gleicher als wir alle.
Jamie war auf dem Weg zum B ü ro von Dr. Li Chengdu, dem Mann, der soeben zum Expeditionskommandanten ernannt worden war. Er trug wie ü blich sein dickes schwarz-rotes Cordsamthemd und ausgeblichene Jeans, und seine Cowboystiefel polterten dumpf ü ber die abgenutzten Holzdielen. Au ß er Li war bisher noch niemand ins Missionsteam berufen worden, jedenfalls nicht offiziell. Aber die schneebedeckte Basis war ein summender Bienenstock von Ger ü chten und Spekulationen dar ü ber, wer f ü r den Flug zum Mars ausgew ä hlt werden w ü rde und wer nicht. Die in der kleinen Basis eingesperrten M ä nner und Frauen hatten Wetten abzuschlie ß en begonnen. Manche von ihnen versuchten sogar, in die geheimen Personaldateien des Computers einzubrechen.
Morgen w ü rden Jamie und die Gruppe, der er angeh ö rte, von McMurdo in die Zivilisation zur ü ckfliegen – falls das Wetter es zulie ß . Ihre sechs Pflichtwochen waren zu Ende. Jamie hatte einen gro ß en Teil seiner Zeit mit der Suche nach Meteoriten drau ß en auf dem schneebedeckten Gletscher verbracht, der in die Eisschicht m ü ndete, die das Rossmeer bedeckte. Die Antarktis war ideal f ü r die Meteoritenjagd. Das ewige Eis und der Schnee des gefrorenen Kontinents konservierten die Felsbrocken, die vom Himmel fielen, und sorgten daf ü r, da ß sie relativ frei von terrestrischen Verunreinigungen blieben. Man nahm sogar an, da ß einige dieser Meteoriten vom Mars kamen. Jamie hatte gehofft, bei seiner Suche auf dem windgepeitschten Gletscher einen zu finden. Wenn ich schon nicht zum Mars komme, hatte er sich gesagt, dann finde ich vielleicht einen Brocken vom Mars, der zur Erde gekommen ist.
Innerhalb von sechs Wochen hatte er vier Meteoriten im Eis entdeckt, von denen jedoch keiner vom Mars stammte.
Jamie arbeitete und trainierte nun seit mehr als drei Jahren mit Wissenschaftlern eines Dutzends verschiedener Nationen in Laboratorien und Exkursionszentren von Island bis Australien. Fast die ganze Zeit ü ber hatte er – wie alle anderen auch – gewu ß t, da ß er nicht der f ü r die Landung auf dem Mars ausersehene Geologe sein w ü rde. Pater Fulvio DiNardo – nicht nur ein Geologe von Weltrang, sondern auch ein jesuitischer Priester – war die erste Wahl f ü r die Mission.
» Leute wie ihn bezeichnen wir als › Doppler ‹« , hatte einer der amerikanischen Administratoren der Mission Monate zuvor beim Fr ü hst ü ck vergn ü gt erkl ä rt, als sie in Star City bei Moskau gewesen waren. » Er f ü llt zwei Positionen aus: die des Geologen und die des Kaplans. «
» Ja « , hatte Tony Reed ihm zugestimmt, wobei ein leises, s ü ffisantes Grinsen um seine Lippen zuckte. » Er kann Beichten abnehmen und jedes Baby taufen, das w ä hrend der Mission zur Welt kommt. Kein anderer Geologe k ö nnte so n ü tzlich sein. «
Widerstrebend akzeptierte Jamie die Realität von Di-Nardos unangreifbarer Position. Der Priester war an der wissenschaftlichen Erforschung der Planeten beteiligt, seit die zweite große Welle von Raumsonden zum Jupiter und zu den Asteroiden geschickt worden war; er hatte sogar einen Beitrag zur Entwicklung einiger Instrumente geleistet, die sie mitgeführt hatten. Er war der erste Geologe auf dem Mond seit der Apollo 17- Mission vor über dreißig Jahren gewesen. Selbst jetzt, während die Wissenschaftler für die erste bemannte Marsmission trainierten, verbrachte Pater DiNardo den größten Teil seiner Zeit im Isolationslabor oben in der russischen Raumstation Mir 5 und leitete die geologischen Untersuchungen der Gesteins- und Bodenproben, die von unbemannten, als Vorhut der menschlichen Expedition zur Erkundung des Roten Planeten ausgesandten Sonden zurückgebracht worden waren.
Es war Pater DiNardos Ersatzmann, der Jamie zu schaffen machte. Wenn man dem ganzen Klatsch glauben durfte, lief Franz
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