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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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erklärt.
    »Wucher. Sie leihen Firmen, die in Schwierigkeiten stecken, Geld. Schmutziges Geld, versteht sich. Zu astronomischen Zin sen . Fünfzehn, zwanzig Prozent. Aber viel. Ganz Italien funktioniert schon so. Sogar einige Banken! Die Mafia hat den französischen Markt überrollt. Die Affäre um die Industriegruppe Schneider kürzlich, mit ihren belgischen Filialen, war das erste Beispiel. Nun gut, der Kopf des ganzen Unternehmens heißt Antonio Sartanario. Narni arbeitet für ihn. Er kümmert sich vor allem um die, die nicht zurückzahlen können. Oder die Spielregeln ändern wollen.«
    »Und wo kommt Fabre da hinein?«
    »Er hat angefangen, Geld aufzunehmen, um sein Büro in Schwung zu bringen. Dann sehr viel, um Cue einen guten Start in der Modebranche zu verschaffen. Er war ein regelmäßiger Kunde. Aber in den letzten Monaten ist er mit seinen Rückzahlungen ein wenig ins Hintertreffen geraten. Ich habe seine Konten sorgfältig überprüfen lassen und festgestellt, dass enorme Summen auf ein Sparkonto gegangen sind. Auf Mathias' Namen. Hocine Draoui war eine Warnung für Fabre, verstehst du. Die erste. Deshalb haben sie ihn dort bei ihm zu Hause vor seiner Nase umgebracht. Seit Montag hat Fabre auffallend hohe Beträge abgehoben.«
    »Aber sie haben ihn trotzdem umgelegt.«
    »Der Tod des Jungen muss für Fabre dennoch ein harter Schlag gewesen sein. Was also hatte er mit dem Geld vor, wenn er es nicht zurückzahlen wollte? Was ging ihm durch den Kopf? Auspacken? Erpressung, um seine Ruhe zu haben ... ? Oh! Hörst du mir zu, Montale?«
    »Ja, ja.«
    »Du siehst, was für ein dreckiges Geschäft das ist. Balducci. Narni. Mit den Gestalten ist nicht zu spaßen. Hörst du, Montale?« Er sah auf die Uhr. »Verdammt, jetzt muss ich aber wirklich los.« Er stand auf. Im Gegensatz zu mir. Ich traute meinen Beinen noch nicht. Loubet legte seine Hand auf meine Schulter, wie letztens bei Ange. »Ein Rat: Wenn du was Neues von den Kindern hörst, vergiss nicht, mich anzurufen. Ich möchte nicht, dass ihnen etwas zustößt. Du doch auch nicht, nehme ich an?«
    Ich nickte zustimmend. »Loubet«, hörte ich mich sagen, »i ch mag dich gern.«
    Er beugte sich zu mir hinab. »Dann tu mir einen Gefallen Fabio. Geh fischen. Das ist gesünder ... Für deinen Magen.«
    Ich ließ mir einen dritten Cognac kommen und trank ihn in einem Zug. Er hatte die gewünschte Wirkung. Löste den Sturm in meinem Bauch aus. Ich stand vorsichtig auf und steuerte auf die Toiletten zu.
    Vor dem Klo ging ich in die Knie, hielt mich mit beiden Händen an der Klobrille fest und erbrach. Alles. Bis auf die letzte Muschel. Ich wollte nichts von dieser schrecklichen Mahlzeit bei mir behalten. Den Magen von schmerzenden Krämpfen gerüttelt, begann ich leise zu weinen. Du siehst, dachte ich, so geht es immer aus. Weil die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten sind. Sie können nicht anders enden, als sie begonnen haben. Man möchte immer, dass sich schließlich alles einrenkt. Aber nein, das tut es nie.
    Nie.
    Ich richtete mich auf und zog die Wasserspülung. Wie man eine Alarmglocke schlägt.
    Draußen war wunderschönes Wetter. Ich hatte ganz vergessen, dass es die Sonne gab. Der Cours d'Estiennes-d'Orves war in ihrem Licht gebadet. Ich ließ mich von der sanften Hitze tragen. Die Hände in den Taschen ging ich bis zur Place aux Huiles. Am Alten Hafen.
    Vom Wasser stieg ein strenger Geruch auf. Eine brackige Mischung aus Motorenöl und schmutzigem Salzwasser. Offen ge - standen, es roch nicht besonders gut. Normalerweise hätte ich gesagt, es stank. Aber in diesem Moment tat mir der Geruch unend - lich gut. Ein Glücksduft. Echt, menschlich. Als wenn Marseille mich in die Nase biss. Das »tuck-tuck« meines Boots kam mir in den Sinn. Ich sah mich beim Fischen auf dem Meer. Ich lächelte. Das Leben hatte mich wieder. Durch die einfachsten Dinge.
    Die Fähre kam. Ich gönnte mir eine Hin-und Rückfahrkarte für die kürzeste und schönste aller Reisen. Einmal quer durch Marseille. Quai du Port ‒ Quai de Rive-Neuve. Um diese Zeit führen nicht viele mit. Ein paar Alte. Eine Mutter, die ihrem Baby die Flasche gab. Ich überraschte mich mit der Melodie Chella Ila a uf den Lippen. Ein altes, neapolitanisches Stück von Renato Carosone. Ich fand meine Bezugspunkte wieder. Mit den dazugehörigen Erinnerungen. Mein Vater hatte mich auf der Fähre ans Fenster gesetzt und gesagt: »Schau, Fabio. Schau nur. Das ist die Hafeneinfahrt. Siehst du. Fort

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