Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
Leute aus dem Showgeschäft. Vom Film.
    Das sind meine Freunde, schien er zu sagen. Ihr habt Glück, dass ich eure Küche mag. Und dass wir Landsleute sind. Sowohl Narni als auch Gino stammten aus Umbrien. Dort gab es unumstritten die beste regionale Küche in ganz Italien. Sogar noch vor der Toskana. Das war wirklich ein Glück. Zugegeben. Das Restaurant war immer voll. Manche kamen nur zum Essen, um die eine oder andere Be - rühmtheit zu sehen.
    An den Wänden häuften sich ihre Fotos. Gélou posierte mit jedem von ihnen. Wie ein Star. Star der Stars in diesem Restaurant. Einmal hatte ihr ein italienischer Regisseur ‒ den Namen wusste sie heute nicht mehr ‒ sogar eine Rolle in seinem nächsten Film angeboten. Sie hatte gelacht. Sie liebte das Kino, aber vor laufender Kamera konnte sie sich nicht sehen. Außerdem war Guitou gerade geboren worden. Also, mit dem Kino ...
    Sie machten gutes Geld. Eine glückliche Zeit. Auch wenn sie abends völlig erschöpft ins Bett fielen. Besonders am Wochenende. Gino hatte eine Küchenhilfe und zwei Kellnerinnen angestellt. Gélou bediente nicht mehr an den Tischen. Sie empfing die Gäste von Rang und nahm den Aperitif mit ihnen ein. Und alles was dazu - gehörte. Narni besorgte ihr Einladungen zu offiziellen Anlässen und Galaempfängen. Mehr als einmal sogar zum Filmfestival in Cannes.
    »Bist du allein hingegangen?«, fragte ich.
    »Ohne Gino, ja. Das Restaurant musste laufen. Außerdem hielt er nicht viel von der Schickeria, verstehst du. Er ließ sich nicht so leicht den Kopf verdrehen. Nur von mir«, fügte sie mit einem traurigen Lächeln hinzu. » Er stand mit beiden Beinen fest au f der Erde. Ein bodenständiger Bauer. Dafür habe ich ihn geliebt. Er hat mir Ausge - glichenheit gegeben. Er hat mir beigebracht, zwischen Echt und Falsch zu unterscheiden. Kitsch zu erkennen. Weißt du noch, wie ich als junges Mädchen war? Ich bin hinter jedem Jungen hergerannt, der mit Papas Geld angab.«
    »Du wolltest sogar den Sohn eines Marseiller Schuhfabrikanten heiraten. Der war eine gute Partie.«
    »Er war eine Vogelscheuche.«
    »Gino ...«
    Sie verlor sich in Gedanken. Wir standen immer noch in derselben Straße, in der ich so scharf gebremst hatte. Gélou hatte mich nicht geohrfeigt. Sie hatte sich nicht einmal gerührt. Wie gelähmt. Dann hatte sie sich langsam zu mir umgedreht. Ihre Augen schrien um Hilfe. Ich hatte mich nicht gleich getraut, sie anzusehen.
    »Damit also hast du deine Zeit verbracht«, stellte sie fest. »In meinem Leben herumzustochern.«
    »Nein, Gélou.« Und dann erzählte ich ihr alles. Nun, fast alles. Nur das, worauf sie ein Recht hatte, es zu erfahren. Danach rauchten wir schweigend.
    »Fabio«, begann sie von Neuem.
    »Ja.«
    »Wonach suchst du?«
    »Ich weiß nicht. Es ist, als ob ein Stein im Puzzle fehlt. Ich sehe das Bild vor mir, aber dieser fehlende Stein macht alles kaputt. Verstehst du?«
    Die Nacht war hereingebrochen. Trotz der offenen Fenster war die Luft im Wagen rauchgeschwängert.
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    »Gélou, der Typ lebt mit dir. Er hilft dir, deine Kinder großzuzie - hen. Patrice, Marc und Guitou. Guitou hat er aufwachsen sehen ... Er muss mit ihm gespielt haben. Es gab Geburtstage, Weihnachten ...»
    »Wie konnte er ...? Meinst du das?«
    »Ja, wie konnte er. Und wie ... Stell dir vor, wir hätten nichts davon gewusst. Angenommen, du wärst nicht zu mir gekommen. Narni kommt daher und bringt diesen Hocine Draoui um. Und an - schließend Guitou, der unglücklicherweise im Weg stand. E r schlüpft durch das Netz der Polizei. Wie immer. Er kommt zurück nach Gap ... Wie hätte er ... Verstehst du, er zieht seinen Schlafanzug an, frisch gewaschen und gebügelt, legt sich zu dir ins Bett und ...«
    »Wo wir gerade Hypothesen aufstellen, ich glaube nicht ... Ich glaube nicht, dass ich nach Guitous Tod noch einen Mann in meinem Bett ertragen kann. Alex oder einen anderen.«
    »Ah«, stieß ich ungehalten hervor.
    »Ich brauchte einen Mann für die heranwachsenden Kinder, besonders für Guitou. Einen ... Vater, ja.« Gélou wurde immer nervöser. »Oh! Fabio, ich gerate ganz durcheinander. Es gibt Dinge, verstehst du, die eine Frau von einem Mann erwartet. Liebens - würdigkeit. Zärtlichkeit. Lust. Lust zählt, weißt du. Und all die anderen Sachen. Die einen echten Mann ausmachen. Stabilität. Sicherheit. Ein Mann im Haus eben. Eine Stütze ... Allein erziehende Mutter mit drei Kindern, nein, dazu hatte ich nicht den Mut.

Weitere Kostenlose Bücher