Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Alain.«
Er machte die Tür wieder zu. Hélène Pessayre stand auf und ging in dem engen Büro auf und ab. Schließlich baute sie sich vor mir auf.
»Wenn Sie Babette Bellini finden, sagen Sie mir Bescheid?«
»Ja«, antwortete ich, ohne zu zögern, und sah ihr gerade in die Augen.
Ich stand meinerseits auf. Wir standen uns gegenüber, wie eben, bevor sie mich geohrfeigt hatte. Die entscheidende Frage lag mir auf der Zunge.
»Und was dann? Wenn ich sie finde?«
Zum ersten Mal spürte ich eine leichte Unruhe in ihr. Als wenn sie die Worte erriet, die folgen würden.
»Sie stellen Sie unter Polizeischutz. Richtig? Bis Sie die Killer fest - nehmen, wenn es Ihnen gelingt. Und was dann, danach? Wenn andere Killer kommen. Und wieder andere.«
Das war meine Art, Ohrfeigen zu verteilen. Auszusprechen, was Flics nicht hören konnten. Machtlosigkeit.
»Bis dahin werden Sie nicht nach Saint-Brieuc versetzt werden, wie Loubet, sondern nach Argenton-sur-Creuse!«
Sie erbleichte, und ich bedauerte, dass ich mich hinreißen lassen hatte. Mich so schäbig mit einigen bösen Worten für ihre Ohrfeige zu rächen.
»Verzeihen Sie.«
»Haben Sie eine Idee, einen Plan?«, fragte sie kalt.
»Nein, nichts. Nur Lust, dem Typ, der Sonia und Georges umgebracht, gegenüberzustehen. Und ihn umzulegen.«
»Das ist wirklich idiotisch.«
»Vielleicht. Aber eine andere Gerechtigkeit gibt es für diese Dreckskerle nicht.«
»Nein«, präzisierte sie, »es ist wirklich idiotisch, dass Sie Ihr Leben riskieren.«
Der Blick ihrer schwarzen Augen legte sich sanft auf mich.
»Es sei denn, Sie wären dann nicht mehr so unglücklich.«
Dreizehntes Kapitel
In dem es einfacher ist, anderen zu
erkl ä ren, als selbst zu verstehen
Die Feuerwehrsirenen rissen mich brutal aus dem Schlaf. Die Luft, die zum Fenster hereinkam, roch verbrannt. Heiße, widerliche Luft. Wie ich später hörte, war das Feuer in einer öffentlichen Müllde - ponie ausgebrochen. In Septèmes-les-Vallons, einer Gemeinde nörd - lich von Marseille. Nur wenige Schritte von hier, von Georges Mavros' Appartement.
Ich hatte zu Hélène Pessayre gesagt: »Sie folgen mir. Da bin ich mir sicher. Sonia hat mich an dem Abend begleitet. Sie hat bei mir geschlafen. Sie brauchten ihr nur nachzugehen, um zu ihr zu gelangen. Ich habe sie zu Mavros geführt. Wenn ich einen Kumpel besuche, jetzt gleich oder morgen, werden sie auch ihn auf die Liste setzen.«
Wir waren noch immer in Mavros' Büro. Versuchten, einen Plan zu schmieden. Um mich aus dem Sumpf zu ziehen, in dem ich steckte. Der Killer würde heute Abend wieder anrufen. Jetzt erwar - tete er Fakten. Dass ich ihm sagte, wo Babette war, oder etwas in der Richtung. Wenn ich ihm keine handfesten Zusicherungen geben konnte, würde er noch jemanden töten. Und das könnten Fonfon oder Honorine sein, wenn er niemand anderen aus meinem Freun - deskreis fand, über den oder die er sich hermachen konnte.
»Ich bin in der Zwickmühle«, log ich.
Das war vor weniger als einer Stunde.
»Ich kann kaum was unternehmen, ohne das Leben eines Menschen zu riskieren, der mir nahe steht.«
Sie sah mich an. Langsam kannte ich ihre Blicke. In diesem lag kein vollständiges Vertrauen. Zweifel blieb bestehen.
»Letztendlich ist das ein Pluspunkt.«
»Was?«
»Dass Sie festgenagelt sind«, antwortete sie mit einem Unter ton von Ironie. »Nein, ich meine, dass sie hinter Ihnen her sind, das ist ihr schwacher Punkt.«
Ich sah, worauf sie hinauswollte. Das gefiel mir nicht so recht.
»Ich kann Ihnen nicht folgen.«
»Montale! Hören Sie auf, mich für dumm zu verkaufen. Sie ver - stehen sehr gut, was ich sagen will. Sie sind hinter Ihnen her, und wir werden uns an sie hängen.«
»Und bei der ersten roten Ampel schnappt die Falle zu. Meinen Sie das?«
Ich bereute meine Worte sofort. Ein trauriger Schleier schob sich vor ihren Blick.
»Es tut mir Leid, Hélène.«
»Geben Sie mir eine Zigarette.«
Ich reichte ihr meine Schachtel. »Kaufen Sie nie welche?«
»Sie haben ja immer welche dabei. Und ... Wir sehen uns ja ziem - lich oft, nicht wahr?«
Sie sagte das ohne Lächeln. Mit matter Stimme.
»Montale«, fuhr sie sanft fort. »So kommen wir beide ni cht wei ter, wenn Sie nicht ein wenig ... «
Sie zog ausgiebig an ihrer Zigarette, während sie nach Worten suchte.
»...Wenn Sie nicht an das glauben, was ich bin. Nicht an den Flic in mir. Nein, an die Frau in mir. Nach unserer Unterhaltung am Meer dachte ich, Sie hätten
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