Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
Vom Netzwerk:
vorbei, bevor ich nach Hause gehe.«
    »Warum haben Sie vorhin nichts davon erwähnt.«
    »Es ist mir gerade erst wieder eingefallen.«
    »Rufen Sie ihn an.«
    »Er hat kein Telefon. Seit seine Frau tot und er in den Ruhestand gegangen ist, will er in Frieden gelassen werden. Wer ihn anrufen will, muss eine Nachricht in der Pizzeria nebenan hinterlassen.«
    Das stimmte alles. Ich fügte hinzu: »Es nützt ihm nichts, mich zu hören, er muss mich sehen.«
    »Aha.«
    Ich glaubte zu hören, wie sie das Für und Wider abwog.
    »Wie gehen wir vor?«
    »Ich stelle den Wagen auf dem Parkplatz beim Centre-Bourse ab. Ich fahre ins Einkaufszentrum hoch, verlasse es wieder und nehme ein Taxi. Ich habe eine Stunde.«
    »Und wenn sie Ihnen folgen?«
    »Das sehe ich dann.«
    »Okay.«
    »Bis später.«
    »Montale, sollten Sie eine Spur zu Babette Bellini haben, vergessen Sie mich nicht.«
    »Ich vergesse Sie nicht.«
    Eine dicke Rauchsäule stieg oberhalb der nördlichen Viertel empor. Die heiße Luft drang in meine Lungen ein, und ich sagte mir, dass wir damit mehrere Tage leben müssten, wenn der Mistral nicht nachließ. Schmerzliche Tage. Brennende Wälder, Vegetation und selbst der dürrste Strauch der Garrigue waren eine Katastrophe für die Gegend. Allen war noch das schreckliche Großfeuer aus dem Jahr 1989 in Erinnerung, das dreitausendfünfhundert Hektar Land an den Hängen des Sainte-Victoire verwüstet hatte.
    Ich ging in die nächste Kneipe und bestellte einen Halben. Der Wirt hing wie alle Gäste auch mit dem Ohr an Radio France Provence. Das Feuer war regelrecht »gesprungen« und fraß den Grünstreifen vor dem kleinen Dorf Plan-de-Cuques. Man begann, die Bewohner der einsamen Villen zu evakuieren.
    Ich dachte wieder an meinen Plan, Babette an einen sicheren Ort zu bringen. Er war einwandfrei durchführbar. Unter einer einzigen Bedingung: dass der Mistral nachließ. Und der Mistral konnte ein, drei, sechs oder neun Tage anhalten.
    Ich trank aus und bestellte nach. Die Würfel sind gefallen, dachte ich. Wir würden schon sehen, ob ich noch eine Zukunft hatte. Wenn nicht, gab es sicher ein Plätzchen unter der Erde, wo ich mich im Kreise Manus, Ugos und Mavros' beim Pelote dem Müßiggang hingeben konnte.

Vierzehntes Kapitel
    In dem man auf den buchst ä blichen Sinn
des Ausdrucks t ö dliches Schweigen st öß t

    Ich fuhr los. Den Rattenschwanz im Schlepptau. Die Karre der Mafiosi. Die der Flics . Unter anderen Umständen hätte ich meinen Spaß an den Schatten gehabt. Aber mir war nicht zum Lachen zumute. Mir war nach gar nichts zumute. Nur auszuführen, was ich beschlossen hatte. Ohne jede Seelenregung. So, wie ich mich kannte, standen meine Chancen umso besser, meinen Plan zu Ende zu bringen, je weniger sich in mir regte.
    Ich war kaputt. Mavros' Tod ergriff Besitz von mir. Kalt. Seine Leiche bettete sich in meinen Körper. Ich war sein Sarg. Die halbe Stunde Schlaf hatte die Gefühlsaufwallungen, die mich beim letzten Blick auf sein Antlitz übermannt hatten, verdrängt. Hélène Pessayre hatte den oberen Teil von Mavros' Gesicht mit einer sicheren Handbewegung enthüllt. Bis zum Kinn. Sie hatte mir einen flüchtigen Blick zugeworfen. Es war nur eine Formalität, d ass ich ihn identifizierte. Ich hatte mich langsam über Georges' Leichnam gebeugt. Zärtlich hatte ich sein ergrauendes Haar mit den Finger - spitzen gestreichelt und ihm schließlich einen Kuss auf die Stirn gegeben.
    »Salut, Alter«, hatte ich mit zusammengebissenen Zähnen gemur - melt.
    Hélène Pessayre hatte mich untergehakt und schnell auf die andere Seite der Halle geführt. »Hat er Familie?«
    Seine Mutter Angelica war nach dem Tod ihres Mannes nach Nauplion auf den Peloponnes zurü ckgekehrt. Sein älterer Bruder Panayotis lebte seit zwanzig Jahre n in New York. Sie hatten sich nie wieder gesehen. Andreas, der Jüngste von den dreien, hatte sich in Fréjus niedergelassen. Aber George s war seit zehn Jahren mit ihm zerstritten. Er und seine Frau hatten sich seit 1981 von den Sozia - listen zu den Konservativen und schließlich zum Front National bekehrt. Pascale wollte ich nicht anrufen. Ich wusste nicht einmal, ob ich ihre neue Telefonnummer noch hatte. Sie war aus Mavros' Leben verschwunden. Und damit auch aus meinem.
    »Nein«, log ich. »Ich war sein einziger Freund.«
    Der letzte.
    Jetzt gab es keinen einzigen Menschen mehr in Marseille, den ich anrufen konnte. Sicher blieben noch eine Menge Leute, die ich gern mochte, wie Didier

Weitere Kostenlose Bücher