Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
Babettes Spur verloren. Sie wollen sie wieder in die Hand bekommen. Um gewisse Dokumente wiederzuerlangen. Gewisse Listen, nehme ich an. Auf denen die Banken und persön - liche Kontonummern vermerkt sind.«
Ich schloss die Augen für eine halbe Sekunde. Zeit genug, um Babettes Gesicht und ihr Lächeln wieder vor mir zu sehen. Dann fügte ich hinzu: »Und sie anschließend umzulegen, natürlich.«
»Und wo kommen Sie da rein?«
»Die Killer haben von mir verlangt, dass ich sie finde. Zur Ermunterung bringen sie Leute um, die ich liebe. Sie sind bereit, weiterzumachen, bis hin zu den Menschen, die mir wirklich sehr nahe stehen.«
»Haben Sie Sonia geliebt?«
Jede Härte war aus ihrer Stimme gewichen. Sie war eine Frau, die mit einem Mann sprach. Von einem Mann und einer anderen Frau. Fast komplizenhaft.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Ich wollte sie wiedersehen.«
»Ist das alles?«
»Nein, das ist nicht alles«, antwortete ich trocken.
»Was noch?«
Sie hakte nach, aber ohne Bosheit. Sie zwang mich, von meinen Gefühlen an jenem Abend zu sprechen. Mein Magen drehte sich um.
»Es war mehr als die Lust, die eine Frau entfachen kann!«, sagte ich mit erhobener Stimme. »Verstehen Sie? Ich glaubte, zu spüren, dass sich eine Möglichkeit zwischen ihr und mir auftat. Zusammen leben, zum Beispiel.«
»An einem einzigen Abend?«
»Ein Abend oder hundert, ein Blick oder tausend, das macht keinen Unterschied.«
Jetzt hätte ich heulen können.
»Montale«, murmelte sie.
Und das beruhigte mich. Ihre Stimme. Der Klang, den sie in meinen Namen legte und in dem alle Freuden und alles Lachen ihrer Sommer in Algier mitzuschwingen schienen.
»Das weiß man sofort, glaube ich, ob das, was zwischen zwei Menschen passiert, nur ein Schuss in die Luft ist oder ob sich da wirklich etwas aufbaut, oder?«
»Ja, das glaube ich auch«, stimmte sie zu, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Sind Sie unglücklich, Montale?«
Scheiße! Stand mir das Unglück ins Gesicht geschrieben? Sonia hatte es gerade erst Honorine gegenüber erwähnt. Jetzt sagte Hélène Pessayre es mir auf den Kopf zu. Hatte Lole jegliche Glücksnischen aus meinem Körper so weit getilgt? Hatte sie wirklich all meine Träume mit fortgenommen? Meinen ganzen Lebenssinn? Oder lag es an mir, verstand ich ihn einfach nicht mehr in mir zu suchen?
Nachdem Pascale gegangen war, hatte Mavros mir erzählt: »Sie hat die Seiten mit wahnsinniger Geschwindigkeit umgeblättert, ver - stehst du. Fünf Jahre Lachen, Spaß, manchmal Streit, Liebe, Zärtlich - keit, Nächte, Erwachen, Siestas, Träume, Reisen ... All das bis zum letzten Wort. Das sie selbst mit eigener Hand geschrieben hat. Sie hat das Buch mitgenommen. Und ich ...«
Er weinte. Ich hörte zu, schweigend. Hilflos vor so viel Schmerz.
»Und ich, für mich hat das Leben keinen Sinn mehr. Pascale war die Frau, die ich am meisten geliebt habe. Die einzige, Fabio, die einzige, verdammt noch mal! J etzt tue ich die Dinge ohne Lei den - schaft. Weil sie halt getan werden müssen. Weil das Leben daraus besteht. Dinge tun. Aber in meinem Kopf ist nichts mehr. Und in meinem Herzen auch nicht.« Er hatte mit dem Finger an seinen Kopf und sein Herz getippt. »Nichts.«
Ich hatte nichts zu antworten gewusst. Nichts, eben. Weil es darauf keine Antwort gab. Ich hatte das herausgefunden, als Lole mich verlassen hatte.
An jenem Abend hatte ich Mavros nach Hause gebracht. Nach einer Menge Zwischenaufenthalte in den Hafenkneipen. Vom Café de la Mairie bis zur Bar de la Marine. Auch mit einem langen Zwischenstopp bei Hassan. Ich hatte ihn auf die Couch gelegt, meine Flasche Lagavulin in Reichweite.
»Gehts so?«
»Ich hab alles, was ich brauche«, hatte er gesagt und auf die Flasche gezeigt.
Dann hatte ich mich an Lo les Körper geschmiegt. Warm und weich. Mein Glied an ihren Schenkeln. Und eine Hand auf ihrer B rust. Ich hielt mich daran fest wie ein Kind, das schwimmen le rnt, an seinem Schwimmreifen. Verzweifelt. Durch Loles Liebe w ar es mir gelungen, den Kopf im Leben über Wasser zu halten. Nicht unterzugehen. Mich nicht vom Strom mitreißen zu lassen.
»Sie antworten nicht?«, fragte Hélène Pessayre.
»Ich möchte einen Anwalt.«
Sie brach in Gelächter aus. Das tat mir gut.
Jemand klopfte an die Tür.
»Ja.«
Es war Béraud. Ihr Mitarbeiter.
»Wir sind fertig, Kommissar.« Er starrte mich an. »Kann er ihn identifizieren?«
»Ja«, sagte ich. »Ich werde es tun.«
»Noch ein paar Minuten,
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