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Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea

Titel: Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Claude Izzo
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verstanden.«
    »Was hätte ich verstehen sollen?«
    Diese Worte waren mir herausgerutscht. Kaum ausgesprochen, begannen sie in meinem Kopf zu hallen. Brutal. Ich hatte genau das Gleiche zu Lole gesagt, in jener schrecklichen Nacht, als sie mir eröffnet hatte, dass alles aus war. Die Jahre vergingen, und ich stellte mir immer noch dieselbe Frage. Oder besser gesagt, ich verstand nach wie vor nichts vom Leben. »Wenn man immer wieder an derselben Stelle vorbeikommt«, hatte ich Mavros eines Abends nach Pascales Fortgang erklärt, »geht man im Kreis. Man ist verloren ...« Er hatte genickt. Er drehte sich im Kreis. Er war ver - oren. Es ist einfacher, diese Dinge anderen zu erklären, als sie selbst zu verstehen, dachte ich.
    Hélène Pessayre hatte in dem Moment das gleiche Lächeln wie Lole . Ihre Antwort unterschied sich geringfügig.
    »Warum haben Sie kein Vertrauen in die Frauen? Was haben sie Ihnen getan, Montale? Haben sie Ihnen nicht genug gegeben? Haben sie Sie enttäuscht? Haben Sie durch sie gelitten, ist es so?«
    Ein weiteres Mal brachte diese Frau mich aus der Fassung.
    »Vielleicht. Gelitten, ja.«
    »Ich bin auch von Männern enttäuscht worden. Auch ich habe gelitten. Müsste ich Sie deswegen hassen?«
    »Ich hasse Sie nicht.«
    »Ich werde Ihnen etwas sagen, Montale. Manchmal, wenn Sie mich ansehen, bin ich ganz aufgewühlt. Und ich spüre einen Schwall von Gefühlen in mir aufwallen.«
    »Hélène«, versuchte ich zu unterbrechen.
    »Seien Sie still, verdammt! Wenn Sie eine Frau ansehen, mich oder eine andere, kommen Sie direkt zur Sache. Aber Sie gehen mit Ihren Befürchtungen, Zweifeln und Ängsten heran, mit diesem ganzen Ballast, der Sie erdrückt und Ihnen zuflüstert: › Daraus wird nichts, das geht nicht gut. ‹ Nie mit der Sicherheit eines möglichen Glücks.«
    »Glauben Sie an das Glück?«
    »Ich glaube an eine echte Beziehung zwischen den Menschen. Zwischen Mann und Frau. Ohne Angst, also ohne Lügen.«
    »Hmja. Und wo führt uns das hin?«
    »Hierhin. Warum wollen Sie diesen Typ, diesen Killer, unbedingt erledigen?«
    »Wegen Sonia. Jetzt auch wegen Mavros.«
    »Mavros, einverstanden. Er war Ihr Freund. Aber Sonia? Ich habe Sie schon einmal gefragt. Haben Sie sie geliebt? Hatten sie in jener Nacht das Gefühl, sie zu lieben? Sie haben mir nicht geantwortet. Nur gesagt, dass Sie sie wiedersehen wollten.«
    »Ja, dass ich sie wiedersehen wollte. Und dass ...«
    »Und dass, vielleicht oder bestimmt ... Ist es nicht so? Wie g ehabt, nicht wahr. Und Sie gehen zum Rendezvous mit einem Teil Ihrer selbst, der unfähig ist, seinen Erwartungen und Wüns c hen zuzu - hören? Haben Sie einmal wirklich zu geben verstanden? Einer Frau alles zu geben?«
    »Ja«, blaffte ich und dachte an meine Liebe zu Lole .
    Hélène Pessayre sah mich zärtlich an. Wie neulich Mittag auf der Terrasse bei Ange, als sie ihre Hand auf meine gelegt hatte. Aber auch diesmal würde sie nicht sagen: »Ich liebe dich.« Oder sich in meine Arme schmiegen. Da war ich sicher.
    »Das glauben Sie, Montale. Aber ich, ich glaube Ihnen nicht. Und diese Frau, sie hat es auch nicht geglaubt. Sie haben ihr kein volles Vertrauen geschenkt. Sie haben ihr nicht gesagt, dass Sie an sie glauben. Und es auch nicht gezeigt. Jedenfalls nicht genug.«
    »Warum sollte ich Ihnen vertrauen?«, fragte ich. »Denn darauf wollen Sie doch hinaus. Das verlangen Sie doch von mir? Dass ich Ihnen vertraue.«
    »Ja. Einmal in Ihrem Leben, Montale. Einer Frau. Mir. Dann wird es gegenseitig sein. Wenn wir einen Plan aufstellen, wir beide, möchte ich mich auf Sie verlassen können. Ich möchte über Ihre Gründe, den Typ umzubringen, Gewissheit haben.«
    »Sie würden es zulassen, dass ich ihn umbringe?«, rief ich überrascht. »Sie?«
    »Wenn Sie sich nicht von Hass oder Verzweiflung treiben lassen. Sondern von Liebe. Von der Liebe, deren Anfänge Sie für Sonia em - pfunden haben, ja. Ich habe ziemliches Selbstvertrauen, verstehen Sie. Auch einen ausgeprägten Sinn für Moral. Aber ... Was glauben Sie, wie viele Jahre Giovanni Brusca, der blutrünstigste Killer der Mafia, bekommen hat?«
    »Ich wusste nicht, dass er verhaftet worden ist.«
    »Vor einem Jahr. Bei ihm zu Haus. Er aß gerade Spaghetti mit seiner Familie. Sechsundzwanzig Jahre. Er hatte Richter Falcone mit TNT umgebracht.«
    »Und ein elfjähriges Kind.«
    »Nur sechsundzwanzig Jahre. Ich hätte nicht die geringsten Gewissensbisse, wenn dieser Typ, dieser Killer, krepierte, statt der

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