Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
nicht, dass ihr etwas zu - stößt. Ist das klar?«
Mein Magen drehte sich um. So viel Liebe.
»Schenk mir noch was ein«, konnte ich nur sagen.
»Ich meine es nicht böse, was ich dir sage. Diese Geschichten von Babette, die sind ihre Sache. Und du bist groß genug, so viel Dummheiten zu machen, wie du willst. Ich werde dir nicht vorschreiben, was du zu tun oder zu lassen hast. Aber wenn diese Typen Honorine nur ein Haar krümmen ... «
Er sprach den Satz nicht zu Ende. Nur seine Augen, fest in meine gebohrt, sagten, was er nicht aussprechen konnte: Er machte mich für alles verantwortlich, was Honorine geschehen konnte. Ihr allein.
»Ihr wird nichts geschehen, Fonfon. Ich schwör es dir. Und dir auch nicht.«
»Na ja«, brummte er nicht sehr überzeugt.
Aber wir stießen trotzdem an. Richtig diesmal.
»Ich schwör es dir«, wiederholte ich.
»Nun gut, reden wir nicht mehr davon«, sagte er.
»Doch, wir werden darüber sprechen. Ich rufe Babette an, und dann erzähle ich.«
Babette willigte ein. Zu kommen. Zu reden. Sie war mit meinem Plan einverstanden. Aber dem Klang ihrer Stimme nach zu urteilen, würde es kein leichtes Spiel werden, sie dazu zu bringen, auf die Veröffentlichung ihrer Arbeit zu verzichten. Wir würden nicht lang und breit darüber diskutieren. Das Wichtigste war ein Gespräch unter vier Augen.
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte Hélène Pessayre. »Ich auch«, antwor - tete ich. »Ich höre.« »Meine Männer haben einen der Typen identi - fiziert.«
»Ricardo Bruscati. Ich auch.«
Schweigen am anderen Ende.
»Da sind Sie baff, was?«, freute ich mich.
»Ziemlich.«
»Ich war auch einmal Flic.«
Ich versuchte, mir ihr Gesicht in dem Moment vorzustellen. Die Enttäuschung, die sich darauf abzeichnen musste. Es gefiel Hélène Pessayre bestimmt nicht, um eine Länge geschlagen zu werden.
»Hélène?«
»Ja, Montale.«
»Nun seien Sie nicht gleich eingeschnappt!«
»Was sagen Sie da?«
»Dass das mit Ricardo Bruscati ein Zufall ist. Mein Nachbar Fonfon hat ihn wieder erkannt. Er hat sein Foto vor kurzem in der Zeitung gesehen. Mehr weiß ich auch nicht. Also, ich höre.«
Sie räusperte sich. Sie war immer noch leicht verärgert.
»Das bringt uns auch nicht weiter.«
»Was?«
»Dass der zweite Mann Bruscati ist.«
»Aha. Aber wir wissen, mit wem wir es zu tun haben, oder nicht?«
»Nein. Bruscati kommt aus dem Departement Var. Er ist nicht als blutrünstiger Killer bekannt. Er ist ein Waffenträger. Kein Ass mit dem Messer. Das ist alles. Ein Killer, der aufräumt. Weiter nichts.«
Jetzt war es an mir zu schweigen. Ich sah, worauf sie hinauswollte.
»Da ist noch einer, stimmts? Ein echter Mafia-Killer?«
»Ja.«
»Der in aller Ruhe seinen Aperitif auf der Terrasse vom New York trinkt.«
»Genau. Und wenn sie Bruscati engagiert haben, der schließlich nicht der Erstbeste ist, heißt das, sie sind nicht bereit, Geschenke zu machen.«
»Hat Bruscati mit dem Mord an Yann Piat zu tun?«
»Soviel ich weiß, nicht. Ich bezweifle es sogar. Aber er war einer von denen, die Yann Piats große Wahlveranstaltung am 16. März 1993 im Espace 3000 in Fréjus gewaltig aufgemischt haben. Erinnern Sie sich noch?«
»Ja. Mit Tränengasbomben. Fargette hatte das angeordnet. Yann Piat passte nicht in seine politischen Pläne.«
Das hatte ich in der Presse gelesen. I
»Fargette«, fuhr sie fort, »setzte weiter auf den Kandidaten der Konservativen. Mit dem Einverständnis des Front National. Er koor - dinierte unter der Hand den Sicherheitsdienst in der Region von Marseille bis Nizza. Anwerber, Ausbilder ... Das alles ist in einer Datei auf der weißen Diskette erfasst.«
Ich hatte die Datei überflogen. Sie schien mir nichts zu enthalten, was ich nicht hier und da schon in der Zeitung gelesen hatte. Das glich eher einem Abriss über die Varer Angelegenheiten als einem explosiven Dokument. Aber ich hatte kurz bei den Verbindungen zwischen Front National und Fargette innegehalten. Eine Abschrift der abgehörten Te lefongespräche zwischen dem Mar seiller Paten Daniel Savastano und ihm. Ein Satz fiel mir wieder ein: »Das sind Leute, die arbeiten wollen, die in der Stadt aufräumen wollen. Ich hab ihm gesagt, wenn du Freunde hast, die Unternehmen haben, sollte man versuchen, ihnen Arbeit zu geben ...«
»Sollte Bruscati Fargette auf dem Gewissen haben?«
Fargette war am Tag nach dieser Wahlveranstaltung in seinem Haus in Italien umgebracht worden.
»Sie waren zu viert.«
»Ja, ich
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