Marseille Trilogie - Total Cheops, Chourmo, Solea
weiß, aber ...«
»Vermutungen sind müßig. Wir können davon ausgehen, dass Bruscati seit dem Mord an Yann Piat sein Möglichstes getan hat, um Typen aus dem Weg zu räumen. Störenfriede.«
»Welcher Art?«, fragte ich neugierig.
»Von der Sorte eines Michel Régnier.«
Ich pfiff durch die Zähne. Seit Fargettes Tod wurde Régnier in Südfrankreich als eine Art Pate betrachtet. Ein Pate der Unterwelt, nicht der Mafia. Am 30. September 1996 war er vor den Augen seiner Frau von Kugeln durchlöchert worden. An seinem Geburts - tag.
»Für mich ist das die entscheidende Information mit Bruscati hier vor Ort. Wenn er heute da ist, dann für die Mafia. Was heißt, dass sie die wirtschaftliche Kontrolle über die Region an sich gerissen hat. Ich denke, das ist eine der Thesen in den Nachforschungen Ihrer Freundin. Das macht sämtlichen Spekulationen über einen Krieg der › Clans ‹ ein Ende.«
»Wirtschaftlich, nicht politisch?«
»Ich habe mich noch nicht getraut, die schwarze Diskette anzu - schauen.«
»Ja. Je weniger wir wissen ...«, sagte ich erneut, automatisch.
»Glauben Sie das wirklich?«
Ich meinte, Babette zu hören.
»Ich glaube gar nichts, Hélène. Ich sage nur, da sind die Toten und die Lebenden. Und dass unter den Lebenden die Teilhaber der Toten sind. Und dass die meisten noch auf freiem Fuß sind. Und dass sie weiter Geschäfte machen. Heute mit der Mafia so wie gestern mit dem Varer und Marseiller Milieu. Können Sie mir folgen?«
Sie antwortete nicht. Ich hörte, wie sie eine Zigarette anzündete.
»Was Neues über Ihre Freundin Babette Bellini?«
»Ich glaube, ich weiß endlich, wo sie steckt«, log ich mit sicherer Stimme.
»Ich kann warten. Die anderen mit Sicherheit nicht. Ich erwarte Ihren Anruf ... Ach ja, Montale, nachdem Sie das Einkaufszentrum verlassen hatten, habe ich die Mannschaft ausgewechselt. Als Sie nach Hause gefahren sind, wollten wir nicht das Risiko eingehen, entdeckt zu werden. Es ist jetzt ein weißer Peugeot 304.«
»Wo wir gerade davon sprechen, ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.«
»Nur zu.«
»Da Sie die Mittel dazu haben, möchte ich, dass Honorines Haus und Fonfons Bar gleich nebenan rund um die Uhr überwacht werden.«
Schweigen.
»Das muss ich mir überlegen.«
»Hélène. Ich werde Sie nicht erpressen. Eine Hand wäscht die andere. Das ist nicht meine Art. Wenn es schlecht ausgeht ... Hélène, die Leichen von den beiden möchte ich nicht küssen müssen. Ich liebe sie über alles. Ich habe nur noch sie, verstehen Sie?«
Ich schloss die Augen, um an sie zu denken, Fonfon und Hono - rine. Loles Gesicht schob sich darüber. Sie hatte ich auch über alles geliebt. Sie war nicht mehr meine Frau. Sie lebte weit weg von hier und mit einem anderen Mann. Aber wie Fonfon und Honorine gehörte sie noch immer zum Wichtigsten, was ich auf der Welt hatte. Das Gefühl von Liebe.
»Einverstanden«, sagte Hélène Pessayre. »Aber nicht vor morgen früh.«
»Danke.«
Ich wollte auflegen.
»Montale.«
»Ja.«
»Ich hoffe, dass wir diese schmutzige Geschichte bald hinter uns haben. Und ... Und dass ... Dass wir danach Freunde sind. Ich mei - ne ... Dass Sie eines Tages Lust haben, mich zum Essen mit Hono - rine und Fonfon zu sich nach Hause einzuladen.«
»Ich hoffe es, Hélène. Ehrlich. Es wäre mir ein Vergnügen, Sie einzuladen.«
»Passen Sie bis dahin auf sich auf.«
Und sie legte auf. Zu schnell. Ich konnte noch das leichte Pfeifen hören, das folgte. Ich wurde abgehört. »So ein Miststück!«, dachte ich, aber mir blieb keine Zeit, einen anderen Gedanken zu fassen oder auch nur ihre letzten Worte auszukosten. Das Telefon klingelte, und ich wusste, dass die Stimme am anderen Ende lange nicht so aufregend sein würde wie Hélène Pessayres. »Gibts was Neues, Montale?«
Ich hatte beschlossen, mich bedeckt zu halten. Keine Bemerkung. Kein Humor. Gehorsam. Wie einer, der am Ende seiner Kräfte zu Kreuze kriecht.
»Ja. Ich hatte Babette am Telefon.«
»Gut. Hast du eben mit ihr gesprochen?«
»Nein, mit den Bullen. Sie lassen mich nicht mehr aus den Augen. Zwei Leichen dicht hintereinander, das ist zu viel fiir sie. Sie lassen mich schmoren.«
»Ja. Das ist deine Sache. Wann hast du mit der Dreckschleuder telefoniert? Während deiner Eskapade heute Nachmittag?«
»Genau.«
»Bist du sicher, dass sie nicht in Marseille ist?«
»Ich mach keine linken Touren. Sie kann in zwei Tagen hier sein.«
Er schwieg eine Weile.
»Ich gebe dir
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