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Marsha Mellow

Marsha Mellow

Titel: Marsha Mellow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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- das ist der einzige Weg, ich kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Mit Mum verhält es sich wie mit dem Abreißen alter Heftpflaster. Man muss den brennenden Schmerz ignorieren, dann vergeht er auch wieder.
    »Mum, morgen erscheint ein Artikel in der Mail, und ...«
    »Diese schreckliche Frau«, lamentiert sie erneut und unterbricht mich. »Warum erlaubst du ihr bloß, in deiner Wohnung zu rauchen? Hier stinkt es wie ein voller Aschenbecher.« In ihrer Hand liegen ein paar Zigarettenstummel - sie muss sie hinter dem Sofakissen hervorgefischt haben.
    Himmel, was ist nur in mich gefahren, dass ich mir eingebildet habe, ich könnte ihr das allergrößte Geheimnis der Welt anvertrauen? Wo ich doch nicht einmal zugeben kann, dass ich rauche?
    Das heulende Etwas vor wenigen Augenblicken ist verschwunden. Jetzt beißt sie die Zähne zusammen und hält nach einem Stein des Anstoßes im Raum Ausschau. Jetzt ist sie wieder original Mum, was schon an sich entnervend genug ist, aber in ihrem generalüberholten Outfit wirkt sie noch unheimlicher. Es ist, als wäre ich mitten in einer Folge von Stars in Their Eyes in meiner eigenen Wohnung - »Heute Abend, Matthew, werde ich Edwina Currie sein.« Ich komme mit diesem neuen Look überhaupt nicht klar. Wenn damit bezweckt wird, meinen angeblich abtrünnigen Vater zurückzuerobern, wird Edwina C. nichts damit erreichen, zumal er sich jedes Mal ein Kissen vor das Gesicht hält, wenn sie im Fernsehen zu sehen ist.
    »Wie auch immer, Amy«, meint Mum und wirft die Kippen in den Mülleimer, »was sagtest du gerade über die Mail?«
    »Oh, nichts ... Ich meine, die bringen ein Interview mit Andrew Lloyd Webber.«
    Auch wenn sie alles hasst, was moderner als Elgar ist, macht sie bei Lloyd Webber eine Ausnahme. Er komponiert nämlich richtige Melodien über schöne Dinge - wie Miezekatzen und Jesus ... und grauenhaft entstellte Geister. Und natürlich ist er Mitglied der Konservativen.
    »Gut«, entgegnet sie, »wenigstens ein Lichtblick, wenn dein Vater mich wieder einmal am Frühstückstisch behandelt, als wäre ich Luft... Vorausgesetzt, er kommt überhaupt nach Hause.«
    »Er bleibt über Nacht weg?«, frage ich entsetzt.
    »Nein ... aber das ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Mum, mach dir keine Sorgen. Ich rede mit ihm.«
    In diesem Augenblick klingelt es an der Tür, sodass wir beide zusammenfahren.
    »Wer kann das denn sein?«, fragt Mum, entsetzt darüber, dass um diese Uhrzeit - Viertel nach neun - noch jemand wagt, bei mir zu klingeln. Wahrscheinlich denkt sie jetzt, dass die Ortsgruppe der Hell‘s Angels vor der Tür steht, um ein bisschen zu vergewaltigen und zu plündern.
    Ich bin nicht minder entsetzt, aber bloß, weil ich sicher bin, dass es diese blöde Pressetante ist. Auf Zehenspitzen schleiche ich mich an das offene Fenster und spähe hinaus.
    Was zum Teufel macht der denn hier?
    Mit der meine ich Ant, den ich seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen habe. Selbstverständlich bin ich vor Freude ganz aus dem Häuschen, auch wenn sein Timing besser sein könnte, aber was zum Teufel macht der hier ? Eigentlich müsste er in New York sein. Und jetzt steht er vor meiner Tür mit einer Reisetasche und sieht total kaputt, ungepflegt und - dank der hautengen Lederhose, dem anscheinend selbst besprühten weißen T-Shirt und einem (für mich wenigstens) brandneuen Schnurrbart - total schwul aus.
    Scheiße. Neben der Sache mit dem Rauchen und dem allergrößten Geheimnis der Welt ist das auch etwas, was ich meiner Mutter bislang verschwiegen habe: Anthony Hubbard - mein bester Freund seit meinem sechsten Lebensjahr - ist homosexuell. Wie soll ich ihr das beibringen, wo sie doch schon kaum mit der Tatsache klarkommt, dass er katholisch ist?
    Sein Timing könnte entschieden besser sein.
    »Wer ist es?«, will meine Mum wissen.
    »Anthony«, antworte ich.
    »Ich dachte, der ist in Amerika, um die heiligen Weihen zu empfangen?«
    Als Ant vor zweieinhalb Jahren ausgewandert ist und Mum wissen wollte, was er denn in New York macht, habe ich nicht geantwortet: »Oh, höchstwahrscheinlich legt er jeden Kerl flach, der ihm über den Weg läuft.« Nein, stattdessen habe ich gesagt: »Er ist dort im Priesterseminar.« Was auch der Wahrheit entspricht - Ant arbeitet tatsächlich für das Priesterseminar. Bloß dass das nur die halbe Wahrheit ist - bei seinem Priesterseminar handelt es sich nämlich um einen Nachtclub für Schwule.
    Mum war unsere Freundschaft schon immer suspekt.

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