Marsha Mellow
ist... es ist... hinreißend.«
Ich habe im letzten Moment gekniffen - das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
»Danke, Schätzchen. Ich freue mich, dass wenigstens du es bemerkt hast. Dein Vater hat nämlich keinen Blick mehr für mich übrig.«
Sie sieht mich mit kummervollen Hundeaugen an, bevor sie die Eingangstreppe hinunter und zu ihrem Wagen geht.
»Moment mal, Ant, jetzt bin ich verwirrt. Wer ist Fidel?«
»Das ist der Typ, der immer den Kondomautomaten im Club auffüllt.«
»Und du glaubst, du bist in ihn verliebt?«
»Nein, nein, Fidel war bloß ein One-Night-Stand. Im Prinzip gar nicht erwähnenswert, wenn Alex mich nicht dabei erwischt hätte, als ich ihm auf dem Klo gerade einen geblasen habe.«
»Und Leon? War der auch nur ein One-Night-Stand?«
»Mhm ... na ja, vielleicht auch ein Two- oder Three-Nights-Stand.«
»Und Alex weiß davon?«
»Er hat seine Handynummer in meiner Jeans gefunden.«
»Himmel, bist du etwa lebensmüde?«
»Wie soll ich denn in diesem Laden arbeiten, ohne in Versuchung zu geraten?«, schimpft er los. »Mag sein, dass das früher mal eine Priesterschule war, aber immerhin leitet sich Seminar von Samen ab, Teufel noch mal.«
»Ich bezweifle zwar, dass dieses Argument einen Richter überzeugen würde, aber sei‘s drum. Und in welchen dieser ganzen Typen meinst du jetzt verliebt zu sein?«
»Hab ich dir doch gesagt. In Frankie.«
»Der DJ.«
»Nein, das ist Marco. Frankie ist der Galerist. Hast du mir überhaupt zugehört?«
»Das habe ich, aber dein Liebesleben ist ganz schön kompliziert, Ant. Kein Wunder, dass du davor geflohen bist.«
Bei Ants ständig wechselnden Lovern auf dem Laufenden zu bleiben ist so, wie einen Film zu schauen, auf dessen Handlung man sich stark konzentrieren muss, um nicht den Faden zu verlieren, und man der Handlung trotzdem ständig etwas hinterherhinkt. Kurz: Ants Liebesleben ist wie Matrix Reloaded, einen Film, den ich erst zwei Wochen nach dem Kinobesuch begriffen habe. Seit einer Stunde schon höre ich mir Ants Seelenbeichte an. Um es .in aller Kürze wiederzugeben: Ant wohnt mit Alex zusammen. Die beiden sind kurz nach Ants Ankunft in Amerika ein Paar geworden. Was die Sache kompliziert macht, ist, dass Ant zudem für Alex arbeitet, der Mitbesitzer des Priesterseminars ist. Die goldene Regel lautet jedoch: Hintergehe nie deinen Freund, wenn der gleichzeitig dein Chef ist. Eine Weile lang ist es Ant verheimlichen, bis vor wenigen Wochen flagranti mit Fidel, ich glaube, das ist der Kondomboy, erwischt hat. Danach gab es eine Art Dominoeffekt, und Alex kam ihm mit drei weiteren Kerlen auf die Spur. Unglaublich, aber wahr: Ant arbeitet nach wie vor in dem Laden, aber sie haben sich vorübergehend getrennt (was bedeutet, dass jeder momentan eine Hälfte der Wohnung bewohnt - offenbar besteht kein Platzmangel). Dabei weiß der arme Alex noch gar nicht das Schlimmste. Ant glaubt, in einen anderen verliebt zu sein. Nämlich in Frankie, den Galeristen, wenn ich richtig aufgepasst habe.
»Was hast du jetzt vor?«, frage ich erschöpft.
»Ich hatte eigentlich gehofft, du könntest mir das sagen.«
Na, prima, herzlichen Dank . Morgen bei Sonnenaufgang werde ich von der Daily Mail gekreuzigt, und alle heulen sich bei mir aus. Zuerst Lisa, dann Mum und jetzt Ant. Ein Wunder, dass Mary mir vorhin nicht erzählt hat, dass ihr Haustier gestorben ist oder so. Mir liegt auf der Zunge: »Ich freue mich unheimlich, dich zu sehen, Ant, wirklich, aber wenn du denkst, ich spiele den Kummerkasten für dich, dann kannst du dich direkt wieder in dein Scheiß-Manhattan verpissen.«
Was ich natürlich nicht sage. Hauptsächlich deshalb, weil es nicht ganz fair wäre. Schließlich weiß selbst Ant - mein bester Freund, mein Vertrauter, mein Seelenverwandter - nichts von meinem Geheimnis, was, wie so vieles in letzter Zeit, ziemlich heftig an mir nagt.
Stattdessen sage ich: »Nun ja, ich denke, es ist das Beste, wenn du die anderen alle vergisst - Fidel, Leon, Mario ...«
»Marco.«
»Wie auch immer. Hak sie allesamt ab und konzentriere dich auf Alex und Frankie. Finde heraus, was du willst, und mach dann reinen Tisch mit den beiden.«
Ha! Reinen Tisch machen! Sagt ausgerechnet die Richtige.
»Du hast Recht«, seufzt Ant. »Darum bin ich ja auch geflüchtet. Ich brauche etwas Abstand ... Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Tut mir Leid, dass ich dich einfach so überfalle.«
»Sei nicht albern. Wofür sind Freunde denn da? Ich freue mich
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